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Für das neue Jahr fassen wir manche guten Vorsätze, wollen in unserem Leben endlich bestimmte Dinge ändern, uns Zeit dafür nehmen und die notwendige Energie aufbringen. Dann kommt der Alltag und allzu schnell verlieren wir uns aufgrund seiner Anforderungen wieder einmal selbst …

Als Marie am Montagmorgen erwachte, überschlug sie in Gedanken ihren Wochenplan, wie sie das nannte. Ihr Mann Paul war am Vortag zu einer einwöchigen Wandertour mit Freunden aufgebrochen. Für sie würde es hingegen eine ganz normale Woche werden.
Ihr Terminkalender war wie immer gut gefüllt. Heute wollte sie in der Früh joggen gehen, bei der Nachbarin, die verreist war, die Blumen gießen und die Katzen füttern. Am Nachmittag hatte sie einen Zahnarzttermin, an den sie noch nicht denken mochte. Am Abend fand der Literaturkreis statt, aber sie hatte das zweite Kapitel der ausgewählten Lektüre noch nicht zu Ende gelesen. Ob sie es rechtzeitig schaffen würde? Sonst brauchte sie gar nicht zum Treffen zu gehen!
Am Dienstag brachte die Tochter den kleinen Enkel. Sie freute sich darauf. Wenn er nur nicht so wählerisch beim Essen wäre! Er war außerdem ein aufgewecktes Kind und hielt es in der Wohnung nicht lange aus. Hoffentlich regnete es nicht und sie konnten hinaus ins Freie.
Am Mittwoch hatte ihre Freundin Inge Geburtstag. Sie wollte kurz bei ihr vorbeischauen, um zu gratulieren, und ihr die selbst gebackene Torte für den Nachmittagskaffee bringen. Sie durfte auf keinen Fall vergessen, noch heute die Zutaten einzukaufen. Ebenfalls am Mittwoch war der erste Todestag ihres Schwiegervaters, da musste sie unbedingt bei ihrer Schwiegermutter sein, sie zum Friedhof begleiten und ihr durch den Tag helfen. Leider musste sie deswegen ihren Spanisch-Kurs ausfallen lassen.
Am Donnerstag kam der Umzugswagen. Karl und Anna, ihre alten Freunde, siedelten in ein weit entfernt liegendes Seniorenheim um. Marie hatte versprochen, vorher noch einmal vorbeizukommen und beim Einpacken der letzten Sachen zu helfen. Es würde einsam werden ohne die vertrauten Freunde. Aber sie waren alleine nicht mehr zurechtgekommen.  
Freitags war der Besuchstag bei ihrer Mutter im Haus Seeblick. Auch sie konnte ihren Alltag nicht mehr allein bewältigen und versäumte es nie, Marie Vorwürfe zu machen, dass sie nicht bei ihnen wohnen konnte. Schließlich war die Tochter doch nicht mehr berufstätig. Dass die nicht sehr große Wohnung ungeeignet war, um sie aufzunehmen, hatte sie nie hören wollen. 
Das Klingeln des Telefons riss Marie aus ihren Gedanken. Der Anruf kam von ihrer Freundin Luise. Sie fühlte sich wieder einmal schlecht und brauchte dringend Zuspruch. Ausführlich ließ sie sich über ihr problematisches Leben aus. Freute sich für Marie, dass diese es so viel leichter hatte als sie. Das Telefonat zog sich über zwei Stunden, das Joggen musste daher ausfallen. Der Kaffee war längst kalt geworden.

Beim Blumengießen auf dem Balkon der Nachbarin dachte Marie an kommenden Samstag. Ihr Jugendfreund Fred heiratete die Liebe seines Lebens. So stand es zumindest in der Zeitung. Nachdenklich überlegte Marie, dass sie sich vor langer Zeit einmal selbst dafür gehalten hatte. Und während er heiratete, übrigens bereits zum dritten Mal, würde sie all die Arbeiten nachholen, die sie die Woche über nicht geschafft hatte.
Am Sonntag kämen die Kinder zum Essen, die ihre knappe Freizeit nicht auch noch mit Kochen vergeuden wollten. Sie liebten die Abwechslung und Marie, die eine sehr gute Köchin war, verwandte viel Sorgfalt auf die Auswahl und Zubereitung der Speisen. Am Nachmittag musste Tante Erna im Krankenhaus besucht werden. Das Bein heilte schlecht und sie freute sich immer so über den Besuch. Am Abend kam Paul zurück. Er würde ihr freudestrahlend von seinen Erlebnissen berichten und sie wie immer fragen, ob sie sich nicht gelangweilt hätte, so alleine.
In ihre Küche zurückgekehrt, überfiel sie plötzlich Heißhunger. Schnell griff sie nach einer Tiefkühlpizza und streute gedankenlos eine zusätzliche Portion Käse darüber, dachte gar nicht mehr daran, dass sie eigentlich vorgehabt hatte, sich nur einen frischen Salat, mit wesentlich weniger Kalorien, zuzubereiten. 
Während sie aß, hörte sie die Nachrichten im Radio. Es hatte wieder einmal ein Erdbeben gegeben und in Afrika flüchteten Tausende aus einem Krisengebiet in das verarmte Nachbarland. Die Anzahl der Millionäre auf der Welt hatte zugenommen und die Autobauer machten gute Geschäfte. 
Marie verstand nicht, warum sie sich auf einmal so müde fühlte, und schaltete das Radio wieder ab. Dabei fiel ihr Blick auf den noch unbeantworteten Brief, in dem man sie um ihre ehrenamtliche Mitarbeit in einer Organisation bat. Sie seufzte. Es versprach eine ganz normale Woche zu werden! 

Claudia Bülow

Claudia Bülow

Ich bin Jahrgang 1950, war als Med.Tech.Assistentin in Arztpraxen tätig und habe einige Zeit in der Naturkostbranche gearbeitet. Seit dem Jahr 2000 unterrichte ich Yoga, lebe und arbeite in der Nähe von Frankfurt am Main.Mein besonderes Interesse gilt dem ganzheitlichen Leben mit all seinen Facett...
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