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Schillers Gedanken, seine Sprache jenseits der remarkablen Theaterstücke, sind wie Paraglider, mit denen man spirituell sehr weit fliegen kann. Da seine Gedanken so sehr anregen, sind für mich ebendiese Pralinensätze eine Art INSTANT MEDITATION.

Vorweg wäre es vielleicht wichtig anzumerken, dass mein Lebensweg wie bei einigen anderen, die sich in der Welt des Ruhms tummeln, ein seltsamer ist – vor allem geprägt durch das Zusammenfließen von Kunst und Medizin. Ich bin in den frühen Jahren von meiner Großmutter sehr beeinflusst worden. Von ihr wurde eigentlich alles, was passiert, auch immer unter einem medizinischen Aspekt beleuchtet: so gab es die Sexualität der Lungenkranken, die Atemlosigkeit der Anämie und das glänzende Haar durch genug Vitamin B.
Es ist klar, dass auch die poetischen Gefühle dicht an der medizinischen Wahrnehmung klebten. Daher ist Schiller einer der Größten für mich, er lässt Tatsachen und das Leben selbst sowohl unsentimental als auch poetisch wirken. Was es auch ist. In Schillers Bändchen ‚Über die ästhetische Erziehung des Menschen’ sind Briefe geordnet und so verpackt, dass man in die Sätze beißen kann. Man kann sich eine Praline der Gedanken im Mund zergehen lassen.
Es schwebt die Zeit entgegen, eine wahre ZEN-Zeit.
Dritter Brief, Absatz 15 und 20.

DIE NATUR FÄNGT MIT DEM MENSCHEN NICHTS BESSER AN,
ALS MIT IHREN ÜBRIGEN WERKEN
SIE HANDELT FÜR IHN
WO ER, ALS FREYE INTELLIGENZ
NOCH NICHT HANDELN KANN
ABER EBEN DAS MACHT IHN ZUM MENSCHEN
DASS ER BEY DEM NICHT STILLE STEHT
WAS DIE BLOSSE NATUR AUS IHM MACHT
SONDERN DIE FÄHIGKEIT BESITZT
DIE SCHRITTE, WELCHE JENE MIT IHM ANTICIPIERTE 
DURCH VERNUNFT WIEDER RÜCKWERTS ZU THUN 
DAS WERK DER NOTH
IN EIN WERK SEINER FREYEN WAHL UMZUSCHAFFEN 
UND DIE PHYSISCHE NOTWENDIGKEIT
ZU EINER MORALISCHEN ZU ERHEBEN 
Wow. 

Noch ein Fragment:
UM JENES POLITISCHE PROBLEM IN DER ERFAHRUNG ZU LÖSEN
DURCH DAS ÄSTHETISCHE DEN WEG NEHMEN MUSS
WEIL ES DIE SCHÖNHEIT IST
DURCH DIE MAN ZU DER FREYHEIT WANDERT: 
Ich gebe zu, dass er mit dem Verstand alleine nicht zu verstehen ist. Aber so ist das Leben jenseits des Kalküls. Wir leben in einer Zeit, wo die Menschheit oder viele Gesellschaften vor lauter Zielstrebigkeit den Verstand verloren haben. Schönheit wird nur noch als Ware verstanden, wobei sie immer doch über alldem schwebt. 
Der Gedanke Schillers war aber in einer Welt, in der die Scheinwelt nicht so mächtig war wie jetzt, in der der Austausch von Gedanken nicht immer in Form eines Bestsellers daherkommen musste, als Ideal gemeint. In der Zeit war ein Empfinden für Reichtum sicher auch das Vermitteln solcher Gedanken. Umso älter ich werde, umso mehr häufe ich solche Schätze an.

Christine Kaufmann war Schauspielerin, Autorin und Expertin in Sachen Beauty und Wellness. 2017 erschien ihr letztes Buch 'Liebesgeschichten : Anekdoten aus dem 20. Jahrhundert', Verlag Attenkoffer.

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