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Kennen Sie das, wenn Sie sich zu einem Thema äußern sollen und einfach zu keinem Output kommen? Weil Sie glauben, zu wenig Informationen zu haben. Weil es zwischen diesem Thema und Ihnen bislang wenig bis gar keine Schnittstellen gegeben hat. Weil Sie spüren, dass alles, was Sie von sich geben könnten, nur ein Klischee vertiefen oder Vorurteile bedienen würde.

Als reflektierter Mensch will man das natürlich vermeiden. Denn diese Welt ist überschwemmt mit vorgefertigten Meinungen zwischen Geschlechtern, Nationen, Religionen. Und Menschen, die sie reproduzieren, weil sie sich nicht die Zeit nehmen, einen eigenen Standpunkt zu erklimmen. Manchmal habe ich dafür sogar Verständnis und ertappe mich dabei, dass ich es mir mit „Dazu habe ich keine Meinung“ einfach mache. Meist genügt das meinem Gegenüber auch, denn wer will schon einen anderen zum Nachdenken drängen in der heutigen Zeit? Beim Surfen an der Oberfläche der Gegenwart kommen solche Anliegen nur ungelegen. Und man will sich ja nur bei höchster emotionaler Stabilität unbeliebt machen, weil man es nur dann aushält.

Gestern wurde ich in so eine Situation katapultiert. In so eine, die mich mit süßer Bitterkeit ins Klischee locken wollte. Und der Kobold in meinem Kopf holte schon Luft, um Sätze wie „Wie konntest du nur so naiv sein?“ oder „Eh klar!“ abzusondern. Doch da meine Gemütslage momentan sehr ausbalanciert ist, konnte ich mich aus dem Flüsterwald entfernen und das ganze Gebrabbel von außen betrachten. Distanz ist immer gut, vor allem von Negativem. Also lehnte ich mich zurück und schaute mir selber beim Denken und Fühlen zu.

Was passiert mit uns, wenn wir uns in Vorurteile begeben? Wir begeben uns häufig in die Opferrolle. Schließlich gibt es wenige positive Klischees. Und wir nennen sie auch anders, nämlich Naivität. Doch das ist jetzt eine andere Geschichte. Wenn wir also Gefahr laufen, nachzuplappern, was andere an schlechten Erfahrungen generiert haben, weichen wir von uns ab. Nicht nur, weil wir uns automatisch mit der anderen Person identifizieren, sondern auch, weil wir dem ‚Pars-pro-toto‘-Prinzip huldigen. Die Philosophie hat dafür den sehr treffenden Ausdruck ‚Pars-pro-toto-Fehlschluss‘. Zuerst hatte ich ‚Fehlschuss‘ gelesen, was mir auch sehr passend erschien. Doch es ist und bleibt eben ein Fehlschluss, wenn man Eigenschaften eines Teiles vorschnell auf das Ganze überträgt.

Konfrontiert mit einer Situation, die mich rapide in eine Opferrolle katapultiert hätte, erforderte sie Distanz – auch zum Selbstschutz. Und der ist in solchen Situationen eben nicht, alle und alles in einen Topf zu werfen und sich damit zufriedenzugeben, dass man Teil der (Opfer-)Herde und geteiltes Leid fast schon Glück ist. Selbstschutz ist in so einem Fall eher eine objektive Angelegenheit. Und benötigt vor allem anderen einen Filmriss im Kopfkino. Oder zumindest ein klares und lautes „Stopp!“.

Dann kann man plötzlich auch alles so nehmen, wie es ist. Man bekommt eine Frage gestellt und nimmt sie als Frage – nicht als Manipulationsversuch, ungeachtet der Vorgeschichte und dessen, was man getan oder unterlassen hat. Man kann sich von diesem Standpunkt aus in aller Ruhe überlegen, welche Antwort man geben möchte. Auf diese Frage. Nicht auf Fragen wie diese. Der Unterschied in der Wahrnehmung ist immens. Keine ideologischen Überbauten mehr, kein Kontext, kein „Was wäre, wenn ...“. Erich Fried schreibt: „Es ist, was es ist“ und meint damit, dass die Liebe alles so nimmt, wie es ist. Dehnt man die gemeinhin geltende Anschauung von Liebe aus, zuvorderst auf sich selbst, wird nicht nur die Welt ein freundlicherer Ort, sondern auch die Begegnung mit anderen offener. Ohne Unterstellungen, Vorurteile und Schubladisierungen. Diese Woche beging man den ‚Peter-Pan-Tag‘ und ihm wird das Zitat zugeschrieben: „What if I fall? Oh my darling, what if you fly?“ Wer anderen ohne vorgefertigte Meinungen begegnet, ist bereits auf dem Weg zum Flughafen. Ich habe meinen Koffer schon aufgeklappt.

Claudia Dabringer

Claudia Dabringer

Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg mit allem, was zu einer Studentenzeit dazugehört. Mehrjährige Konzentration aufs Radiomachen, bis alles durchexerziert war und das Schreiben wieder im Kopf präsent wurde. Seitdem freie Journalistin und als Fachtrainerin & Schreibpädagogin...
Kommentare  
# Heiko Fischer 2017-05-17 16:08
Toller Beitrag, Danke!
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# magclaudia dabringer 2017-06-12 11:23
vielen dank fuer die freundlichen worte!
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