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Am Wochenende lese ich einen Briefwechsel zwischen zwei Schriftstellern in Österreich und Serbien, die sich über die hiesige wie dortige Verbitterung austauschen. Die Zeilen bringen etwas in mir zum Schwingen. Denn ganz frei davon bin auch ich nicht.

Jeden Montag treffe ich mich mit zwei lieben Freundinnen zum Schtammtisch – nein, das ‚Sch‘ ist kein Tippfehler, sondern steht für einen Begriff, den ich hier nicht weiter ausführen möchte. Zwei sind Singlefrauen, eine lebt in einer Beziehung, die sie nicht definiert haben möchte. Wir sitzen inmitten von anderen Männerstammtischen und vielleicht ist es ihr Testosteron, das uns immer wieder auf das Thema Frau-Mann bringt. Angepöbelt wurden wir noch nie – im Gegenteil. Ein männlicher Gast leert uns unaufgefordert den Aschenbecher aus, ein Kellner füllt den Bierkrug auf, weil nach dem Anstich eines neuen Fasses gar nicht die angemessene Menge Hopfensaft gezapft worden sein kann. Letztens sagte einer: „Heute muss Montag sein, wenn Sie hier sind.“ Wir sind also gut aufgehoben in dieser Stammtisch-Gesellschaft, von denen es über 150 in diesem Etablissement gibt.

Und trotz aller Zuvorkommenheit arbeiten wir uns Woche für Woche an den Dramen unseres Lebens ab, in denen Männer keine unwesentliche Rolle spielen. Sogar ein Dreiakter mit Epilog-Varianten 1 bis 8 ist bereits entstanden – wir arbeiten daran, ihn auf die Bühne zu bringen. Wir lachen viel, sind aber auch schon mit Tränen in den Augen an den massiven Tischen vor massiven Krügen gesessen. Nein, so weit ging die Freundlichkeit nicht, dass man uns ein kariertes Taschentuch gereicht hätte. Das mussten wir selbst aus den unergründlichen Tiefen unserer Handtaschen nesteln. Doch bei aller Komik, die sich hier ausbreiten könnte, verbindet uns doch auch eine gewisse Bitterkeit darüber, dass wir uns vor den negativen Gefühlen anderer nicht zu schützen wissen. Was haben wir nicht alles schon imaginiert: Käseglocken, Schutzschilde, Blasen. Und doch dringt immer wieder jemand durch – mit lapidaren Worten, unachtsamen Taten, griesgrämiger Miene.

Gründe dafür findet jeder, logisch: die Weltwirtschaft, die Flüchtlinge, der Rechts-, wahlweise Linksruck, das Wetter. Und überhaupt sind wir ja schon lange nicht mehr Herr/Frau in unserem eigenen Haus. Solche Sachen halt. Selbst wenn man sich ein gewisses Maß an Selbstwirksamkeit erhalten hat, kann einem das allgemeine Grummeln an die Nieren gehen. Sitzen wir deshalb in einem Brauhaus, weil Bier nachweislich die Nierenfunktion anregt? Ein gutes Alibi wäre es allemal. Wurscht, wir brauchen keines, weil wir tun, was wir für richtig halten. Stellen wir diesen Antrieb allerdings zur Disposition, gibt es immer Menschen, die diese Richtigkeit anzweifeln. Lehrer, Eltern, Geschwister, sogar wir selbst manchmal. Wir sind eben Perfektionistinnen, wollen haargenau dem entsprechen, was wir zu sein uns vorgenommen haben. Und wenn wir so nicht akzeptiert werden, gibt’s schlechte Laune, gaaaaaaanz schlechte Laune. Vom Verlust der Contenance sind wir dann nur mehr eine Haaresbreite entfernt.

Geht es den gewohnheitsmäßigen Nörglern vielleicht ebenso? Fühlen sie sich ebenfalls nicht wahrgenommen mit ihren Bedürfnissen, selbst wenn es die Sehnsucht nach einem 2.852-Zoll-Fernseher ist? Einem All-inclusive-Urlaub auf Mallorca? Oder einfach nur einem Job? An guten Tagen bringe ich ganz leicht die Akzeptanz dafür auf, dass jeder Mensch seine ganz persönlichen Kämpfe führt und sein Bestes gibt, um zu bestehen. Was an den schlechten in mir vorgeht, wird montags durchgeknetet. Danach bricht wieder die Zeit der Gelassenheit an.

Claudia Dabringer

Claudia Dabringer

Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg mit allem, was zu einer Studentenzeit dazugehört. Mehrjährige Konzentration aufs Radiomachen, bis alles durchexerziert war und das Schreiben wieder im Kopf präsent wurde. Seitdem freie Journalistin und als Fachtrainerin & Schreibpädagogin...
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