Scharren Sie derzeit auch in den Startlöchern und haben das Gefühl, dass die einfach nicht aufgehen wollen? Mir begegnen in letzter Zeit einige Menschen, die loslegen möchten und sich durch den einen oder anderen Umstand gebremst fühlen – auch jener, dem ich jeden Morgen das Gesicht wasche.
„Ich bin noch bis Ende März angefressen, danach wird’s besser - hoffentlich“, höre ich in diesen Tagen. Abgesehen davon, dass ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann, dass man sich damit einrichtet, noch anderthalb Monate schlecht drauf zu sein, ist das für mich ein Zeichen von überreizter Geduld. Dieser Mensch will das Leben in Angriff nehmen, doch er wird gebremst. Nicht zuletzt von seiner schlechten Laune, doch die ist ja ohnehin nur ein Resultat von wasauchimmer.
Ein anderer Mensch will sich im Rahmen seines ehrenamtlichen Engagements in ein etwas antiquiert funktionierendes Unternehmen einbringen. Wenn er etwas gut kann, dann sich begeistern. Und ist damit auch durchaus ansteckend. Doch bei der Killerphrase „Wir lassen alles beim Alten“ geht selbst er in die Knie. Gegen den Unwillen, neue Ufer zu entdecken, ist man manchmal einfach machtlos. Tragisch finde ich nur, dass diese Institution ja auf Ehrenamtliche angewiesen ist und es ja nicht umsonst Ausbildungen zur Freiwilligenkoordination gibt, wo man lernt, eben jene zu motivieren. Wurscht, am Ende des Tages gilt: „Wer nicht will, hat schon.“
Ein weiteres Geschöpf hat einen Traum, das es seit geraumer Zeit verfolgt und dem es alles erdenkliche unterordnet. Verzichtet auf einigermaßen bezahlte Jobs und begibt sich wegen der besseren Vereinbarkeit von Traum und Tantiemen in die Hände einer Zeitarbeitsfirma. Wäscht ab, serviert im Zug, putzt, räumt Klamotten in Regale. Ihr Körper schmerzt ob der unangemessenen Tätigkeiten, der Geist vielfach auch ob der Begegnungen in den verschiedenen Settings. Doch dieses Geschöpf bleibt seinem Traum treu, was ich unendlich bewundere. Und es anfeuere, wenn es in den Startlöchern steht und starten will. Und nicht starten kann. Weil der Körper lahmt. Der Auftraggeber zögert. Der letzte Puzzlestein fehlt.
Die Frau, deren Gesicht ich jeden Morgen wasche, kennt das. Sie hat sich so viel vorgenommen, Pläne gemacht, Zusagen getroffen. Alles, um festzustellen, dass sie schlussendlich absagen muss. Weil die Kraft fehlt, die immer noch hauptsächlich ins Bellen geht. Sie hat es nach der medikamentösen Überdosis um die Jahreswende herum mit alternativen Methoden versucht, doch inzwischen prügelt sie wieder mit Antibiotika auf das Wauwau ein. Es wird besser, logisch. Die Kraft kommt auch langsam wieder. Doch eben langsam. Eine Freundin sagt: „Es wird einen Grund haben, warum Du jetzt hier sein sollst und nicht irgendwo anders, wo Du es geplant hättest.“ Mag sein, doch wann wird sie das erfahren? Und wann kann sie endlich wieder mit ihrem 200 Prozent-Leben beginnen? Momentan läuft sie auf 100 Prozent, doch irgendwie fehlt ihr was. Dabei bringt sie das in die durchaus positive Situation, dass Dinge, die seit Jahren liegen, endlich aufgeräumt, erledigt und abgearbeitet sind. Wer nicht raus kann, macht sich eben drinnen nützlich. Wird sie deshalb ans Haus gefesselt, weil sonst kein anderer Weg zu den Staubmäusen führt? Weil sie in absehbarer Zeit anbauen müsste, um weitere Ablagefächer mit Informationen füttern zu können? Weil sie sonst beim Bauchtanzen mitten im Brustshimmy umfallen würde? Es wird schon seinen Grund haben, warum wir alle das Blei um die Fußknöchel spüren. Und wenn es nur darum geht, die Meisen vor dem Fenster wahrzunehmen, deren Gezwitscher jetzt wieder anhebt und das wir ignoriert hätten auf unserem Weg in die Zukunft.