Ich habe es wirklich gut erwischt. Nicht nur allgemein im Leben, sondern speziell mit meinen Nachbarn. Zumindest mit jenen auf der linken Seite meines Hauses. Rechts könnte man noch optimieren, doch im Grunde hilft nur Gelassenheit.
Vielleicht ist das ein Muster, das sich durch mein Wohnleben zieht. Die Nachbarn rechts von mir waren irgendwie immer schon verhaltensoriginell. In einer meiner früheren Küchen hatte ich die Wand gegenüber dem Fenster mit Bildern zum Thema Essen dekoriert - kleiner Aberglaube, dass dann der Kühlschrank nie leer werden würde. Eines Tages sprach mich die Nachbarin an und fragte mich, welcher Sekte ich denn anhängig wäre. Mit allem, was mir zur Verfügung stand, drückte ich mein Unverständnis ob dieser Frage aus, und sie erklärte mir dann, dass ich doch lauter Heiligenbilder in meiner Küche hängen hätte und das seinen Grund haben müsste. Ab dem Zeitpunkt, wo ich ihr erklärte, dass es sich um Kartoffel & Co. handelte, verbesserte sich das Verhältnis schlagartig.
Meine aktuelle Nachbarin hatte nur zehn Jahre mit ihrem Ehemann, den sie sehr geliebt haben muss. Dass er so früh von ihr gegangen ist, hat sie jahrelang mit Hunden kompensiert – diese Kläffer kennen Sie bestimmt. Klein, aber laut. Irgendwann erzählte sie mir zwischen Holunder und Haus, dass er vergiftet wurde. Nein, ich war es nicht. Vor einigen Jahren, es war knapp 5 Uhr morgens, hob eine elektrische Heckenschere an, meinen Schlaf durchzusägen. Ich schlüpfte in halbwegs straßentaugliche Kleidung, stürmte in ihre Richtung und forderte sie auf, den Lärm einzustellen, weil ich sonst die Polizei informieren würde. Sie: „Sie mit ihrem g’schlampigen Verhältnis brauchen sich gar nicht aufzupudeln.“ Trotzdem war dann bis 7 Uhr Ruhe. Da hatte ich schon gefühlte zehn Tasse Kaffee intus, weil ein Einschlafen nach Lärm und Ärger unmöglich war.
Inzwischen ist die Frau über 90 und wer glaubt, dass sich Altersweisheit breitgemacht hätte, irrt. Vor allem nachts. Denn monatelang rief sie bei mir nachts an und forderte mich auf, meine Wärmepumpe abzuschalten und den Wasserfall abzudichten. Sie hörte nämlich Pumpen und Plätschern. Unnütz zu betonen, dass ich weder eine Wärmepumpe noch einen Wasserfall betreibe. Ihr das immer wieder in Ruhe zu erklären stellte mich auf eine harte Gelassenheitsprobe. Spätestens als sie drohte, die Polizei zu informieren. Also rief ich prophylaktisch dort an und erklärte den Beamten, dass es überhaupt keinen Sinn mache, nachts bei mir vorbeizuschauen, um Geräusche zu überprüfen. Ich würde weder das Telefon noch die Hausklingel hören. Seitdem heißt mein Schlafzimmer ‚Escape Room‘.
Kürzlich lief ich in eine alte Freundin von ihr hinein, die mir erklärte, dass sie ‚nicht mehr ganz bei den Groschen‘ sei. Dass auch andere Kontakt mit den Exekutivbeamten gehabt hätten, weil sie ihnen etwas untergeschoben habe, was sich später einfach aufgeklärt hätte. Ich vermutete ja lange, dass meine Nachbarin unter einem Tinnitus leidet und das Pumpen und Plätschern quasi systemimmanent wäre. Sogar meine Nachbarn linker Hand machten den Versuch einer persönlichen Klärung. Leider vergeblich. Was mich zum erfreulichen Teil meiner Yin-Yang-Geschichte bringt.
Meine Nachbarn auf der anderen Seite machen mich einfach nur glücklich. Ob es mit Lachen, Gesprächen, Hilfe oder Information passiert – alles ist in diesem lebendigen Verhältnis vorhanden. Wir teilen Hochzeiten und Trennungen, Gesundheit und Krankheit, Verwerfungen und Erhöhungen. Nicht permanent und täglich, aber immer wieder so, dass wir wissen, was sich im jeweiligen Haushalt gerade tut. Dieses Miteinander gibt mir die Hoffnung zurück, dass weder g’schlampige Verhältnisse noch undefinierbare Geräusche oder Auffälligkeiten aus einer ungewöhnlichen Lebenssituation heraus irgendetwas am menschlichen Miteinander ändern können. Nachbarschaftlicher Frieden ist Gold wert – meiner ist aus Platin.