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Nach den engagierten Kommentaren auf meinen Beitrag von letzter Woche wäre es eine g’mahte Wies’n, das eine oder andere aufzugreifen und weiterzuspinnen. Doch mir ist weniger danach, Öl ins Feuer zu gießen, als vielmehr eines Menschen zu gedenken, der mich zu den Zeilen von letzter Woche inspiriert hat.

Sie hatte warme, braune Augen, die immer neugierig schauten, aber selten etwas von sich selbst preisgeben wollten. Sie bezauberte Männer in einer Zeit, wo die Jungfräulichkeit noch über allem stand, bevorzugt vor der Ehe. Sie fuhr alleine mit ihrem Motorrad durch die Gegenden Österreichs, als die Individualisierung bei weitem noch nicht so fortgeschritten war wie heute und keiner etwas von Single-Reisen wusste.

Ihr Mann heiratete sie, weil sie sparen konnte – der rote Faden spann sich durch ihr 102-jähriges Leben. Und formte sich mit ihren anderen Lebensthemen, Kochen und Familie, zu einem dicken Zopf. Über 60 Jahre blieb sie an seiner Seite, nicht immer aus Überzeugung. Vielleicht war es die finanzielle Abhängigkeit, vielleicht die gesellschaftliche. Doch da sie täglich ihre Kassabücher füllte, wusste sie besser als jeder andere, wie viel sie sich auf die Seite gelegt hatte. Und das Gesellschaftliche? Sie war zwar immer ‚die Gattin von ...‘ und hatte keine Freunde im heutigen Sinne. Doch den unabhängigen Geist aus ihrer Jugend hatte sie sich insofern bewahrt, als ihre Ideen immer einen Hauch von Unkonventionalität behielten. Aus meiner heutigen Perspektive halte ich es für wahrscheinlich, dass sie geblieben ist, ‚weil nichts Besseres nachkommt‘. Als ihr Mann sie für immer verließ, erzählte sie jedem: „Jetzt bin ich endlich frei.“

Es gab und gibt Menschen, die sie für hartherzig hielten. Und tatsächlich kannte sie in manchen Dingen und Situationen kein Pardon. Sie war hart im Nehmen, verhandelte auf den Märkten wie ein Berber und war verbissen in ihrem Hadern mit der Kirche. Erst gegen Ende ihres Lebens wurde sie sanfter mit ‚dem Herrgott‘, vor allem weil sie wissen wollte, warum er sie einfach nicht sterben ließ. Denn sie hatte gemerkt, dass man mit Steinbockhörnern nicht immer zum Ziel kam. Als sie zum Frieden gefunden hatte, konnte sie auch ganz ruhig einschlafen.

 

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Nicht nur mit der Kirche, auch mit mir war sie in den Ring gestiegen. Unsere Liebe war vielen Verwerfungen ausgesetzt, vor allem während meiner Pubertät. Bis dahin lernte ich, wie gemütlich und genüsslich man kochen kann, wie sinnlich einkaufen war und vor allem, wie bedingungslos Liebe sein kann. Als sich ab dem 14. Lebensjahr mein Hirn neu zu strukturieren begann und mein Denken sich verselbstständigte, wurde es gelinde gesagt schwierig. Denn für einen jungen Menschen gibt es einfach viel mehr zu bedenken als Kochen, Geld und Familie. Einer Frau Fernweh zu erklären, die nie einen Fuß in ein Flugzeug gesetzt hatte, war unmöglich. Ihr vorher von einer Reise zu erzählen, eine ganz schlechte Idee. „Ich will nur wissen, wenn du wieder heil zurückgekommen bist“, war ihre Art des Selbstschutzes, der sie vor Gedankenspiralen der Angst beschützte. Wie ich auch ihre Angst nie verstehen konnte, die sie tagtäglich nach Sonnenuntergang ihr Haus verriegeln ließ, damit sie sich in Ruhe ‚Aktenzeichen XY‘ anschauen konnte. Die sie Dutzende von Autositzbezügen durchschaben ließ, wenn sie in das Auto ihres Mannes stieg. Die sie in ihren Träumen auslebte, von denen keiner was hören wollte. Ich schon.

Nach zehn Jahren Kampf, den eher ich anzettelte, während sie versuchte, in der Liebe zu bleiben, entspannte sich das Verhältnis langsam. Und sie begann, mich dort zu unterstützen, wo es mir guttat. Vielleicht war es mein zunehmendes Alter, vielleicht aber auch ihr Stolz, dass ich meinen eigenen roten Faden spann. Schon ihr Mann hatte immer gesagt, dass man sich um mich keine Sorgen machen müsse; sie verstärkte dieses Mantra noch um: „Du bist eine starke Frau.“ Das war etwas, woran ich mich aufrichten konnte, das mir aber auch zur Hypothek wurde. Als sie vor zwei Jahren ging, nahm sie eine Kraft mit, die gespeist war von Disziplin, Konsequenz und Bedingungslosigkeit. Ich vermisse meine Oma jeden Tag.

Claudia Dabringer

Claudia Dabringer

Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg mit allem, was zu einer Studentenzeit dazugehört. Mehrjährige Konzentration aufs Radiomachen, bis alles durchexerziert war und das Schreiben wieder im Kopf präsent wurde. Seitdem freie Journalistin und als Fachtrainerin & Schreibpädagogin...
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