Es soll ja Menschen geben, die das, was ich hier mache, für völlig überflüssig halten. Doch bevor ich mich kränke, wird mir ein Zitat über den Weg geschickt, das davon handelt, dass in unserer effizienzorientierten Zeit genau das Überfließende Freude und Glanz in unser Leben bringt.
Jetzt muss ich nur noch die Dinge der letzten Tage, die selbst mir in meiner freud- und glanzvollen Existenz überflüssig, weil nutzlos erscheinen, sortieren. Zum Beispiel den Neugiernasen-Abstecher in eine Diskothek. Obwohl ich von einem jungen Mann gewarnt wurde und auch die Ankündigung ‚Alles muss raus‘ ziemlich trashig klang, wollte ich dahin. Denn der Sitztanz im Auto oder auf einem Barhocker kann auf die Dauer deprimierend sein.
Mein ‚partner in dance-crime‘ und ich stehen also vor einer zugegebenermaßen tollen Tanzfläche, die Musik fährt in die Knochen, doch anscheinend nur uns. Denn wer auf Alkohol um zwei Euro scharf ist, hat das zweite Lebensjahrzehnt nicht einmal ansatzweise gesehen und freut sich, dass er sich das Vorglühen erspart. Tanzen ist da von höchst peripherer Wichtigkeit. Irgendwann kommt sich meine Freundin – obwohl 15 Jahre jünger als ich – steinalt vor und ich habe auch schon den einen oder anderen Blick aufgefangen, der impliziert, ob ich nicht lieber mit einem Rollator tanzen möchte. Wurscht, ich bin in solchen Dingen inzwischen ziemlich schmerzfrei. Nach zwei Stunden füllt sich die Leere vor dem DJ-Pult dann doch, der Tanzstil ist ‚geistreich‘ und nach knapp anderthalb Stunden haben wir genug. Die erhoffte Entspannung hat sich in Spannung verwandelt, der Kopf schmerzt und zu Hause frage ich mich bis drei Uhr früh, wofür das alles gut war.
Sinnentleert auch eine Aktion Anfang der Woche. Euphorisiert vom orientalischen Tanz – wie man seit neuestem gesellschaftlich verträglich sagt, weil Bauchtanz offensichtlich zu verrucht klingt - sitze ich wieder einmal bei meinem Weichselbier. Die Stimmung ist ausgelassen, der vertraute Platz an der Bar wird ins Freie verlegt. Irgendwann ruft das Pflichtbewusstsein nach Hause, ich verabschiede mich und breche auf. Ich schwinge mich durch die Gassen, lasse zu Hause den Tag mit einem Lächeln ausklingen und komme knapp vor dem Schlafengehen drauf, dass ich die Mädels auf der Zeche sitzen hab lassen. Ungeachtet der Tatsache, dass ich Stammgast bin, dass ich via Facebook für den Mountainbike-Dude des Lokals erreichbar bin und die Mädels für ihren Lebensunterhalt selbst aufkommen und notfalls zehn Euro auslegen können – das schlechte Gewissen jagt mich durch die Nacht. Und in der Früh braucht es drei Fürsprecher, die mich davon überzeugen, dass ich kein schlechter Mensch bin.
Doch wozu das alles, frage ich mich, nachdem die Kopfschmerzen abgeklungen sind und die Zeche eingelöst wurde. Pragmatisch gesehen hatten diese Aktionen keinen Nutzen, weder im persönlichen noch im Sinne der Allgemeinheit. Nehme ich die Ursprungsdefinition von ‚gut‘, finde ich nichts Passendes, Taugliches, geschweige denn Geschicktes an meinen Handlungen. Und auch der Utilitarismus, wonach das rechte Handeln alles ist, was das Glück in der Welt maximiert, hilft. Der Kopf hilft mir also in keiner Weise, also versuche ich es mit der griechischen Weisheit „Es gibt nichts Schlechtes, an dem nicht auch etwas Gutes ist“.
Die Kopfschmerzen nach dem Abtanzen haben dazu geführt, dass ich mich endlich geschont und meine Energie auf der Couch gebündelt habe. Und die Zechprellerei lehrt mich, dass ich mich erst dann verabschiede, wenn ich auch bezahlt habe. Und schon beginnt das Überfließende ein kleines bisschen zu glänzen. Lebenslanges Lernen macht eben Freude.