Eigentlich mag ich Zugfahren. Man muss nicht auf andere Autofahrer achten und sich darüber ärgern, dass sie seit der Erfindung der dreispurigen Autobahn hauptsächlich dort ihre Mitte finden. Ich kann die Landschaft an mir vorbeiziehen lassen und sein. Oder lesen. Oder schreiben. Oder arbeiten.
Kurz gesagt: Ich kann selektieren, wie ich meine Zeit verbringe, in der ich bewegt werde. Und genau dieses Kinderwagengefühl, an das man im Laufe des Lebens die Erinnerung verliert, mag ich am Zugfahren. Wie gesagt: eigentlich.
Seit einiger Zeit hat man ab Salzburg die Wahl, von wem man sich bewegen lässt. ICH habe keine Wahl, denn für mich gibt es nur die türkise Art des Reisens gen Osten. Wenn ich allerdings in den Westen und mich ökologisch korrekt fühlen möchte, muss ich erröten. Was ich auch regelmäßig und keineswegs in romantischer Art und Weise tue, sobald ich auch nur in die Nähe dieser Züge komme. Ich werde zum Verbinden mit einem WLAN-Netz eingeladen, das nicht funktioniert. Ich muss Papiertickets bei mir haben, weil die Zugbegleiter nur ‚inoffiziell‘ den QR-Code vom Smartphone ablesen dürfen. Und ich kann nicht einfach einsteigen und mich darauf verlassen, dass der Zug an mein käuflich erworbenes Ziel fährt.
Es kann nämlich sein, dass ein Teil nach Klagenfurt, einer nach Karlsruhe und einer nach Kufstein fährt. Service am Kunden sieht für mich anders aus – obwohl man gewillt ist, die Fahrkarte aufzustocken, weil der Wunschzug gerade mit den Rücklichtern winkt, weil man sich irrtümlich im Abteil nach Hintertupfing befand. Und am Schalter mit einem „Sie müssen beim Schaffner eine neue Karte kaufen“ abgespeist wird. Sie merken schon: Ich bin unrund.
Also wieder zurück nach Hause, Auto anwerfen, tanken und ab auf die Autobahn, glücklicherweise zweispurig. Und während ich in meiner Wutwolke wabere und mich über das schleichende schwarze Bonzenauto vor mir aufrege, fällt mein Blick auf dessen Kennzeichen. Es kommt von dort, wo ich gerade hin will plus die Buchstabenkombination ‚OM 1‘. Mein erster Gedanke: „In so einem Wagen kann man leicht entspannt sein.“ Mein zweiter: „Lass los und achte das Zeichen.“
Also überlege ich mir, was ich mir alles erspart haben könnte. Das Opfer einer Tröpfcheninfektion durch einen niesenden Sitznachbarn zu werden beispielsweise. Oder einen bleibenden Gehörschaden durch zu laute Kopfhörermusik zu bekommen, weil ich mir das sinnfreie Geblubbere der anderen Passagiere nicht anhören möchte. Oder eine Zugentgleisung, weil selbst der Lokführer mit seinem Handy herumtaddelt auf der Suche nach Internet.
Spätestens am Chiemsee bin ich wieder rund und kugle dem Geburtstagskind, dem Grund meiner Reise, mit einem Lächeln entgegen.