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Die Meteorologen haben den Sommer ausgerufen. Schön für sie. Ich sitze im langärmligen Kaftan beim bullernden Ofen und will raus. Gehen. Die Sonne auf meiner Haut spüren. Den Wind durch die Haare wildern lassen. Stattdessen beobachte ich die Katze, die sich unermüdlich ableckt und anscheinend auch die Hoffnung verloren hat, dass ihr irgendwann einmal ein Sommerfell wächst.

Als Kind habe ich jedes Mal gestöhnt, wenn ich beim ersten Sonnenstrahl vor die Tür gestaubt wurde – spazieren gehen, Tennis spielen, die zehn Bitten (auch ‚Zehnerln‘ genannt) gegen die Hauswand. Wie anstrengend! Viel lieber bin ich mit einem Buch irgendwo gelegen oder habe in die Luft gestarrt oder Musik gehört. Ich war also alles andere als eines dieser hyperaktiven Kinder, die man heute gerne mit Ritalin am Kindsein hindert. Doch das ist ein anderes Thema. Dass ich also keines dieser besonders gut genährten Kinder war, liegt zum einen an einer leichten Essrebellion, zum anderen an meiner Mutter, die es verstand, den trägen Stier doch hin und wieder über seine Blumenwiese zu jagen.

Die Supersportlerin bin ich heute noch nicht, doch ich habe die Sinnhaftigkeit von Bewegung inzwischen durchaus erfasst. Nicht unbedingt, weil ich sie zur Gewichtsregulierung brauche, sondern weil ich dem Boxsack etwas entgegensetzen will. Von professioneller Seite wurde mir ebenjener empfohlen, damit ich meiner Aggression Ausdruck verleihe. In meiner Welt bin ich ein friedlicher, gemütlich vor sich hin grasender Paarhufer, der sich an Blumen erfreut und auch die heitere Gesellschaft anderer Lebewesen schätzt. Doch offensichtlich hat meine Aura auch eine ‚gefährliche‘ Facette, die andere an mir wahrzunehmen scheinen. Grundsätzlich habe ich ja meinen eigenen ‚roten Faden‘, der mich durchs Leben führt, weshalb ich mich relativ schwer von anderen einwickeln lasse. Doch wenn es darum geht, mir die Anschaffung eines Boxsackes überlegen zu müssen, überprüfe ich gerne die Fadenscheinigkeit. Nicht ständig, aber doch immer mal wieder.

Ich stelle fest: Da gibt es Dinge, die mich wütend machen. Ignoranz zum Beispiel. Engstirnigkeit. Unachtsamkeit. Immer wieder auch Egozentrik. Nicht unbedingt so, dass ich zuschlagen würde. Aber provoziert fühle ich mich schon. Meist warte ich eine gewisse emotionale Stabilität ab und reagiere dann verbal. Während dieser Zeit rattern die verschiedensten Varianten durch mein Hirn und oft muss ich dabei lachen, was meiner kolportierten Aggressivität gehörig Abbruch tut. Denn kichern und kämpfen – unmöglich.

Während ich im Wartesaal der Gelassenheit sitze, kann ich meistens keine zwei Minuten stillsitzen. Da reicht mir das Hin und Her in meinem Kopf, ich packe meinen Blackberry samt Kopfhörer und stürze nach draußen. Schon mehrmals wurde ich gefragt, ob ich auf der Flucht sei. Oberflächlich betrachtet mache ich natürlich ‚Workout‘, tiefer betrachtet flüchte ich schon irgendwie. Vor dem Verkopftsein vor allem. Aber was ich wirklich mache: Ich dampfe ab. Buchstäblich. Die Musik im Ohr gibt den Rhythmus vor, unter 130 Beats per Minute bleibe ich stehen. Dabei betrachte ich die blühenden Kastanienbäume, lächle Hundebesitzern beim Gassigehen zu, wahlweise sogar den Tieren, und spüre, wie ich in meiner Mitte ankomme. Wenn ich nach einer halben Stunde wieder mein Zuhause erreiche, bin ich meiner emotionalen Stabilität ein gutes Stück näher gekommen. Das ist meine Art von Boxen. Und wenn es derzeit wie aus Kübeln regnet, kann ich mich nur glücklich schätzen, dass die Achterbahn in meinem Kopf gerade Pause macht. Ansonsten müsste ich mir dann doch die Anschaffung eines Boxsackes überlegen. Ich weiß, Regen tut nicht weh. Na ja. Schon. Irgendwie. Vor allem im Juni.

Claudia Dabringer

Claudia Dabringer

Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg mit allem, was zu einer Studentenzeit dazugehört. Mehrjährige Konzentration aufs Radiomachen, bis alles durchexerziert war und das Schreiben wieder im Kopf präsent wurde. Seitdem freie Journalistin und als Fachtrainerin & Schreibpädagogin...
Kommentare  
# Henrietta 2016-06-09 14:59
Wie wahr
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# magclaudiadabringer 2016-06-15 14:42
vielen dank fuer die zustimmung, liebe henrietta!
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# hartwig 2016-06-22 12:00
was für entspannung in der regenzeit!!!!!!!!!!!!!
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# hartwig 2016-06-22 12:01
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# Olga 2016-06-22 13:24
☺☺☺
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