Zwei Buddhisten und eine Buddhistin sprechen darüber, wie Meditation ihnen hilft, freier von Ängsten zu werden und in Einklang zu gelangen.
Im Einklang mit dem, was gerade ist
Äußere Freiheit bedeutet für mich, tun und lassen zu können, was ich will. Als privilegierter Mitteleuropäer in einem noch weitgehend gesunden Körper bin ich froh, ein relativ hohes Maß davon zu haben. Innere Freiheit bedeutet für mich, wollen zu können, wasich tue oder lasse. Das ist eine hohe Lebenskunst und gelingt manchmal besser und manchmal weniger gut. ImShinjin Mei, einem chinesischen Zen-Klassiker, heißt es sinngemäß: „Der Große Weg (der Freiheit) ist ganz einfach, du darfst nur nicht dafür oder dagegen sein.“
In der Meditation geht es um die innere Freiheit, also die Fähigkeit, einverstanden zu sein mit dem, was gerade ist. Dies beinhaltet häufig ein Loslassen unserer Vorstellungen und Vorlieben. Das Einverstandensein wurzelt in einem tiefen Vertrauen, einem Ja zum großen Geschehen und großen Geheimnis, das wir uns selber sind, „in Schönheit und Schrecken“, wie Rainer Maria Rilke es ausdrückt. Mein Zen-Lehrer und Freund, Kobun, hat mir einmal erklärt, wie ich mit Ängsten umgehen kann und Einklang finden: „Ich bin mit ihnen einverstanden.“ Ich selbst kenne natürlich auch Ängste, aber sie sind nicht mein Hauptthema. Angst ist etymologisch mit Enge verwandt; sie hat wohl eine evolutionäre Aufgabe, wenn’s eng wird und sie uns in gefährlichen Situationen besonders aufmerksam und vorsichtig macht. Aber häufig sind die gesellschaftlichen und persönlichen Ängste unverhältnismäßig und behindern unser Wohlergehen und Leben eher, als es zu schützen und zu fördern.
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Vanja Palmers, Zen-Mönch, Mitbegründer und Leiter der Stiftung Felsentor sowie Gründungsmitglied vom Haus der Stille, Puregg
Freiraum zwischen Wahrnehmung und Reaktion
Ich bin dankbar, in einem Land mit viel äußerer Freiheit zu leben: politischer Freiheit, Religionsfreiheit, Pressefreiheit, Reisefreiheit, Freiheit der Lebensform, auch als Frau. Äußere und innere Freiräume bedingen einander, denn die Freiheit beginnt in mir, da, wo ich innere Zwänge erkenne und mich davon befreien lerne. Dafür wiederum sind äußere Freiräume hilfreich, denn sie erleichtern Zeiten der Meditation und damit auch der Selbsterkenntnis, allein und in der Gruppe, was sich wiederum positiv auf die gesellschaftlichen Bedingungen auswirken kann. Das Gefühl der Freiheit erlebe ich, wenn ich mich im Einklang mit dem befinde, was gerade geschieht. Die Meditation hilft mir, den Freiraum zwischen Wahrnehmung und Reaktion zu erkennen und zu nutzen. Ich kann nicht verhindern, dass ich wütend oder traurig werde, aber ich habe die freie Wahl, wie ich damit umgehe. Das ist der springende Punkt. Wenn dies gelingt, so befreit es von zwanghaftem Verhalten und macht mich zutiefst glücklich, denn diese Freiheit ist immer da, egal, was geschieht.
Sinnvoll erlebe ich Angst, wenn sie mich vor Gefahren warnt und Grenzen aufzeigt, die beachtet werden wollen, sei es bei mir oder anderen. Schwieriger finde ich diffuse Zukunftsängste wie Versagensangst, Angst, es könnte kollektiv etwas Schlimmes geschehen oder die Angst vor falschen Entscheidungen, die mir oder anderen schaden könnten. Dann versuche ich, mich auf die andere Möglichkeit auszurichten: „Es könnte auch gut ausgehen.“
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Sabine Hayoz Kalff, Meditationslehrerin und Kunsttherapeutin, beschäftigt sich seit 1981 mit der buddhistischen Lehre und Meditation. Sie gehört zum Leitungsteam des Buddhistischen Zentrums Zollikon bei Zürich und ist Lehrerin bei Tara Libre, dem Netzwerk um Sylvia Wetzel. www.buddhazollikon.ch
Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung № 124: „Frei Sein!"
Die Angst nicht nähren
Beim Thema Freiheit stellt sich die Frage: Freiheit wovon, Freiheit wozu? Beim „Wovon“ ist wichtig, dass die Freiheit in meinem Tun, Sprechen und Denken nicht geleitet ist von Angst, Verlangen, Abneigung und Trägheit. Auch bin ich dankbar für relative Freiheit von Krankheit und Schmerz, auch wenn ich diese weniger beeinflussen kann. Das „Wozu“ hat für mich mit Selbstbestimmung, Kreativität und Freiheit zu kritischer Betrachtung gesellschaftlicher Vorgänge zu tun. Meditation hilft mir, die Ressourcen aufzubauen, die ich brauche, um Freiheit von unheilsamer Impulsivität zu leben. Innezuhalten ermöglicht wahrzunehmen, was eigentlich in mir vorgeht, und einen Raum zu schaffen, um bewusst mit den Impulsen zu sein beziehungsweise darauf zu antworten.
Ruhe und Klarheit, die in der Meditation entstehen können, ermöglichen, das zu leben, was ich eigentlich möchte, zum Beispiel weniger ablenkbar zu sein. Schließlich macht die Offenheit für die gegenwärtige Erfahrung freier dafür, kreativ zu wirken. Ich erforsche, ob es tatsächlich einen Grund gibt, Angst zu haben, und wäge meine Möglichkeiten ab, mit der Situation umzugehen. Oft ist Angst aber nicht in unmittelbarer Gefahr begründet. Sie kann aus Erleben von längst Vergangenem herrühren oder völlig irrational sein. Es ist hilfreich, sich zu vergegenwärtigen, dass Angst von ihrer Natur her dazu da ist, auf Bedrohungen zu reagieren, wie etwa durch Aggressivität, Vermeidung oder Lähmung. Freundliche Betrachtung ermöglicht, einfühlsamer damit umzugehen. Dann versuche ich, diese Angst möglichst einfach nur zu fühlen, sie aber gleichzeitig nicht zu nähren. Dafür brauche ich den Willen, die Angst auf der Ebene des Körpers zu erforschen, auch wenn die Gefühle unangenehm sind. Erhält die Angst keine Nahrung, kann sie einfach da sein, ohne mich zu sehr zu bestimmen, und manchmal klingt sie auch einfach wieder ab.
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Christoph Köck, 1984 bis 2001 buddhistischer Mönch in der Theravada-Tradition, vornehmlich in Klöstern Ajahn Chahs in Thailand und Europa. Seit 2008 Psychotherapeut und Supervisor in freier Praxis. Seit vielen Jahren internationale Lehrtätigkeit (Retreats u. a.) für Achtsamkeitsmeditation und frühen Buddhismus, MBSR und MBCT.
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