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Achtsamkeit & Meditation

Was bedeutet Zufriedenheit? Nicht mehr zu wollen, als schon da ist, das ist eine der Antworten, die mir dazu einfallen. Und wie gelange ich strebender Mensch mit so vielen Absichten in diesen Zustand?

Neulich beim Autofahren öffnete sich etwas. Ich schaute vom erhöhten Sitz eines Transporters in die Landschaft hinaus. Vor mir die Straße. Darüber die Landschaft. Links und rechts von mir die Außenspiegel, die ich beim Überholen und wieder Einordnen auf der Autobahn nicht außer Acht lassen durfte. All das hatte ich im Blick. Aber der Blick meines Bewusstseins war noch weiter: Da war alles mit drin, auch das, was ich nicht sehen konnte. Ich schaute so hinein in die Landschaft, in die Welt, dass ich alles das auch war, was ich da sah. 

Ein Hineinsterben in das, was schon da ist, tötet doch nicht, es verändert nur.

Ich war zufrieden mit dem, was da geschah, was sich bewegte und worin ich unterwegs war. Glücklich? Ja, glücklich. Ohne Angst, dass etwas schiefgehen könnte? So leicht könnte ich doch bei einer Unaufmerksamkeit im Verkehr sterben. Es wäre ein Hineinsterben in diese Landschaft, ein vorzeitiges Ende meines Lebens. Na und? Wo ist das Problem? Ein Hineinsterben in das, was schon da ist, tötet doch nicht, es verändert nur. Da ich das alles, was ich sah und spürte, auch war, wäre das kein Tod, denn das alles wäre ja weiterhin da. 

In diesen Minuten der Versunkenheit im Ewigen war das Ich-hier-und-das-andere-dort verschwunden. Die Trennung war verschwunden. Ich musste nicht einmal dort hingelangen, in diesen trennungslosen Zustand. Er war einfach da.

Wenn ich in solche trennungslosen Zustände hineindrifte, denke ich manchmal an Thich Nhat Hanh, der das in einem Gedicht so schön beschrieben hatte: Was ich sehe, die Blumen vor mir, die Menschen, alles, was da auftaucht, das bin ich auch. Es ist ein Einsinken in das, was schon da ist. Keine Gier mehr, dass es mehr werden möge, keine Angst, dass es weniger werden könnte. Und doch kann in alledem das Ziel, das etwas mehr werden möge, absichtslos geborgen sein. Ebenso kann der Wunsch, dass etwas nicht weniger, nicht schlechter werden möge, in dieser Gegenwärtigkeit geborgen sein ohne Angst.

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Ich bin da, alles ist da, ich muss nirgendwohin.

Diese Einsicht, dass es so, wie es ist, schon genug ist, könnte man Zufriedenheit nennen. Oder auch Glück. Ich bin da, alles ist da, ich muss nirgendwohin. Und dieses Ich, für das ich mich halte, dieses volatile, erschütterbare Ich, ist nicht abgetrennt von dem, was sonst noch da ist. Es ist ein Teil seiner Umgebung. So sehr bin ich verbunden, verwoben mit allem drum herum, dass es sogar einen gewissen Aufwand braucht, um eine Grenze um mich zu ziehen. Wobei auch dieser Aufwand vom Ganzen erbracht wird, nicht von mir; er fließt mir von selbst zu, und es gibt keinen Grund, ihn zu verhindern.

Soll ich, darf ich diesen Zustand einen mystischen nennen? Besser nicht. Mystisch, das klingt doch gleich so groß, abgehoben und nach Religion. Dieser Zustand ist das Gegenteil von abgehoben, er ist innig. Es ist eine Art des Daseins, das sich gerade nicht abhebt, sondern da bleibt, wo es schon ist. Es bleibt auf dem Boden der Tatsachen und inmitten des sinnlichen Geschehens. Inmitten der sinnlichen Wahrnehmung der Außenwelt und zugleich geborgen in einer Wahrnehmung der Innenwelt. Meiner Innenwelt, die doch ebenfalls dem Großen, Ganzen angehört und mein Leben ebenso begleitet wie die Außenwelt. In alledem bin ich absichtslos geborgen, ohne etwas zu wollen, und ohne etwas zu befürchten. Ich bin bereits da, wo ich sein will. 

Wer meditiert, kennt diese Zustände. Wen sie beglücken, der kennt auch den Wunsch, dass sie bleiben oder wenigstens leicht wieder abrufbar sein mögen. Und wenn du drin bist, wirst du die Befürchtung kennen, dass sie erodieren, dass sie zerfallen werden, so wie alles im Leben. Zurück zum Affentanz des Lebens? Bitte nicht! Und du kennst die Furcht vor dieser Befürchtung. Mit unserem liebenden Bewusstsein können wir jedoch auch das umarmen.

Jenseits von kleinen Geborgenheiten und Zufriedenheiten gibt es ein großes Glück und eine große, die eigentliche Zufriedenheit: das Aufgehobensein im großen Ganzen. Das, was die Theologin Margot Käßmann mit „Du kannst nicht tiefer fallen als in Gottes Hand“ meinte. Das stille Glück des Angekommenseins in der direkten Erfahrung, dass jetzt schon alles da ist und dass das genug ist. 


Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 118: „Zufriedenheit"

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Wolf Sugata Schneider, ehemals Mönch in der Theravada-Tradition, ist heute Autor, Humorist und Pädagoge.

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Wolf Schneider

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Wolf Sugata Schneider, ehemaliger Mönch in der buddhistischen TheravadaTradition, ist heute Autor und Humorist. www.connection.de www.bewusstseinserheiterung.info
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