Die Lehre Buddhas zeigt einen Weg, wie Leiden überwunden werden kann und der Geist frei wird. Achtsamkeit und Meditation sind dabei sehr hilfreich.
Wer hat die Achtsamkeit entdeckt, die heute weltweit geübt wird? Niemand. Sie ist in unserem Geist vorhanden. Ohne Achtsamkeit kann kein Mensch überleben. Wer hat eine verborgene, unglaubliche Eigenschaft der Achtsamkeit entdeckt? Der historische Buddha vor 2.600 Jahren.
In Buddhas Sprache heißt Achtsamkeit „Sati“. Doch die ersten Übersetzer sagten dazu „Einsicht“ oder „Besinnung“. Erst der deutsche Mönch Nyanaponika verwendete das Wort „Achtsamkeit“. Sie hat viele Eigenschaften, wie etwa: Aufmerksamkeit, Zuwendung, gegenwärtig sein, bewusst sein, Erinnerung, erkennen, etwas erhellen, Beobachten, Akzeptieren, Wachheit und vieles mehr. Vielleicht ist die wirklich unfassbare und daher essenzielle Eigenschaft folgende: Achtsamkeit ist eine Fähigkeit in jedem Menschen, die es dem Geist ermöglicht, sich selbst zu sehen und zu erkennen.
Das eigene Gesicht kann man nur in einem Spiegel sehen. Der Geist kann sich nur durch die Achtsamkeit wie in einem Spiegel wahrnehmen. In diesem Sinne verwende ich eher den Begriff „Bewusstheit“. Zunächst beginnt die Achtsamkeit zu zeigen, was für ein Prozess in jedem Augenblick abläuft, wie komplex Wahrnehmungen aufgenommen, verarbeitet und gespeichert werden. Dann erkennt er, wie der Geist sich selbst lenkt und programmiert, wovon er bestimmt wird und was er bewusst verändern kann. Das ist ein Weg zu lernen, etwas besser, friedlicher und glücklicher zu leben. Das ist die weltliche Ebene der Veränderungen. Doch der Kern und die wahre Aufgabe der Bewusstheit liegt im Folgenden: Der Geist erkennt, was seine wahre Natur ist, nämlich unvergänglich zu sein, leer von allem, unbegrenzt, namenlos, nicht geschaffen und nicht vergehend. Achtsamkeit bedeutet, sich an diese wahre Natur des Geistes zu erinnern. Die Meditation zu vollenden heißt, diese Natur zu erfahren.
Das wird nicht als religiöse oder philosophische Spekulation behauptet, sondern als eine von Buddha und anderen gemachte Erfahrung gelehrt. Das in ein Übungssystem und einen Lebensweg zu bringen, war eine der herausragenden Taten des Buddha. Der Erwachte selbst kam auf diesen außergewöhnlichen Weg, als er sich nach Jahren der strengen Meditation daran erinnerte, dass er als Jugendlicher einmal diesen leeren Geist berührte: „Ich erinnerte mich, dass ich einst (…) im kühlen Schatten eines Rosenapfelbaums saß und dort mich frei fühlte von Wünschen und Sorgen, frei von dem Verlangen nach Sinnengenüssen und von unheilsamen Regungen (…) und ich dachte: Dies könnte der Weg zum Erwachen sein.“ (MN, IV.36.)
Der Geist kann sich nur durch die Achtsamkeit wie in einem Spiegel wahrnehmen.
In den Reden des Buddha findet man nur wenig konkrete Methoden, doch fast jede Belehrung weist darauf hin, dass es um ein Erwachen geht, um ein Erkennen und die daraus entstehenden Folgen. Meditieren heißt nicht, irgendeine Methode zu üben, weil der Meister oder die Schule das so vorgibt. Meditieren hat nur dann Sinn, wenn man sich bewusst ist, dass es um eine Schulung des Geistes geht, die diesen befähigt, sich und damit das ganze Spiel zu durchschauen und sich davon zu lösen.
In der vielleicht wichtigsten Rede des Buddha zur Meditation „Satipatthana“ findet man viele Anregungen, was man achtsam betrachten und verstehen sollte. Hier geht es zum Beispiel um die Betrachtung des Atems und des ganzen Körpers beim Sitzen, um die Körperhaltungen und alle Bewegungen. Es geht um das tägliche Handeln, die Empfindungen und Reaktionen und um den Geist selbst, also die Geisteszustände. Es geht darum, die Emotionen und Stimmungen, die eigenen Hindernisse, das Anhaften am eigenen Selbst, die Sinne und ihre Tätigkeit und auch die guten Eigenschaften im Geist zu erkennen. Und es geht darum, die grundlegenden Wahrheiten zu betrachten. Bis auf den Hinweis, bei der stillen Übung aufrecht zu sitzen, gibt es kaum weitere konkrete Hinweise, außer alles achtsam zu beobachten oder mit Erkenntnissen zu verbinden. So ist es etwa eine Meditation, sich in der Vorstellung eines toten Körpers die eigene Vergänglichkeit bewusst zu machen. Es geht um ein „Durchschauen“. Dies heißt „Vipassana“. Nicht um eine bestimmte Methode der Körperbetrachtung, die unter diesen Namen weltweit angeboten wird.
Bewusstheit ist also eine im Geist angelegt Fähigkeit. Meditation heißt, den Geist so zu schulen, dass er zur tiefen und befreienden Einsicht fähig wird. Solange der Geist das nicht kann, ist er gezwungen, an seinen eigenen Kreationen, das heißt vorwiegend am eigenen Selbst zu hängen und dadurch im Unbefriedigenden und Vergeblichen zu verharren. Buddha nennt das „Leiden“.
Achtsamkeit beständig eingeladen, kann und wird das eigene Leben ändern und auf ein friedlicheres und angenehmes Niveau heben. Meditation, wenn sie beständig geübt wird, kann und wird den Geist beruhigen, sammeln und zu tiefen und beglückenden Bewusstseinszuständen führen. Beides ist von Vorteil, doch nicht das eigentliche Ziel. Beides ist der Weg, den Geist von diesem Zwang, immer dem Werden und Vergehen ausgesetzt zu sein, zu befreien.
Buddha sagte: „Weil aber dieses Ungeborene, Ungewordene, Ungeschaffene (…) besteht, Übende, deshalb ist ein Entrinnen für das Geborene, Gewordene, Geschaffene (…) zu erkennen.“ (Udana, VIII.3)
Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 117: „Meditation"
Nicht die Methoden sind wichtig, sondern dieser erschütternde Blick auf die unbefriedigende Situation, in der sich jeder befindet und der tiefe Wunsch nach einem Ausweg aus dieser Lage. Das mag manchmal negativ klingen, doch in Wahrheit verlangt es ein Feuer der Begeisterung, dass es einen Weg gibt, den andere Menschen, wie du und ich, bereits gegangen sind. Und dieser Weg der Achtsamkeit verlangt keine völlige Unterordnung an eine Schule, keinen blinden Glauben, nicht einmal ein Studium der buddhistischen Lehren – obwohl Letzteres hilfreich sein kann –, sondern nur die Bereitschaft, die Bewusstheit einzuladen und sie auf das zu richten, was genau hier und jetzt da ist.
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