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Achtsamkeit & Meditation

Fa Yi Shakya, ein Chan-Lehrer aus Deutschland, versucht den Spagat zwischen Tradition und Moderne. Eine zeitgemäße Interpretation des Dharma trifft auf Robe, Rituale und Übertragungslinien.

Wie sind Sie zum Buddhismus gekommen?

Fa Yi Shakya: Mein Weg begann mit vierzehn Jahren, da habe ich mir viele Fragen über das Leben gestellt und gleichzeitig den Katholizismus, in den ich hineingeboren wurde, massiv hinterfragt. Ich habe mich auf die Suche begeben und verschiedene Weltreligionen genauer betrachtet. Die meisten hatten das gleiche Problem wie das Christentum: einen Schöpfergott, dem man nicht weiter hinterfragen sollte oder durfte. Beim Buddhismus war es anders. Daher habe ich begonnen, mich durch die Büchereien zu lesen, um mehr zu erfahren.

Wie ging es weiter?

Ich habe mich zu Anfang am Vajrayana orientiert, dem tibetischen Buddhismus, doch im Laufe der Jahre wurden mir die manchmal ausufernden Rituale sowie die Verehrung von Menschen, Heiligen und Rinpoches zu viel. Meine Suche begann dann von Neuem. Ich merkte, dass ich etwas Pragmatisches brauchte. So fand ich zum Chan, dem chinesischen Buddhismus. Aus dem Chan hat sich später unter anderem das japanische Zen entwickelt. Mich hat die westliche Form des Chan sehr angesprochen, weil sie ohne Glaubenselemente auskommt. Es wird auch eher spartanisch mit Ritualen umgegangen. Rituale selbst halte ich aber für wichtig.

Welche Rituale sind Ihnen wichtig?

Vesakh ist so ein Ritual. Das Fest zum Gedenken an die Geburt, die Erleuchtung und den Tod Gautama Buddhas. Da führen wir das „Buddhabaden“ durch. Während des Rituals nimmt man sich gewisse Dinge vor, die man im Leben positiv weiterverfolgen möchte. Dieses Ritual dient der Vergegenwärtigung des eigenen Weges. Ich sehe in ihm nichts Magisches oder Esoterisches. Wenn ich den Buddha bade, denke ich nicht, dass sich in der Welt durch eine Art Zauberei etwas verändern wird. Ich selbst verändere mich und dadurch verändere ich die Welt.

Gibt es Unterschiede zwischen chinesischem und westlichem Chan?

Der Fokus ist eigentlich der gleiche: die Lehre Buddhas und die Überwindung von „Dukkha“, dem Leid. Der westliche Ansatz legt jedoch keinen Wert auf Religion. Zeitgemäßer Chan steht nicht im Widerspruch zu einer wissenschaftsbasierten Weltsicht. Er kommt also ohne Glauben aus. Buddha sehen wir nicht als gottgleiches Wesen, sondern als historische Persönlichkeit, der man dankbar ist, dass er diesen Weg eröffnet hat, den man im eigenen Leben umsetzen kann. Bei uns geht es darum, die Unzufriedenheit mit der Welt, mit sich, der Arbeit, der Beziehung, also Leid aller Arten zu überwinden.

Fa Yi Shakya

Wie würden Sie die Unterschiede zum japanischen Zen beschreiben?

 … als kulturell. Sie sind nicht in der Lehre selbst zu finden. Beide Traditionen kann man auf Bodhidharma, der mythischen Gründergestalt des Chan und seiner Ableger zurückführen. Im japanischen Zen findet man oft mehr Strenge, einen Hang zur Perfektion. Auch auf die Optik wird dort viel Wert gelegt. Zen ist, soweit ich das beurteilen kann, stark auf Zazen fixiert, die Sitzmeditation. Es ist die Körperhaltung vorgeschrieben, sowie die Augenhaltung. Im Chan, den ich praktiziere, würde man sagen, dass es wichtig ist, dass du sitzt, nicht wie du sitzt.

Wie gestaltete sich Ihr Weg weiter?

Ich habe eine Sangha, eine Gruppe, in den USA gefunden, den „Xu Yun Chan Yuen“, zu Deutsch: den „Changarten des Xu Yun“. Es handelt sich um eine westlich orientierte Gemeinschaft, die vom Abt Jy Din Shakya 1997 auf Hawaii gegründet worden ist. Ein amerikanischer Physiker, der den buddhistischen Namen Chuan Zhi Shakya trug und ein Schüler des Abts war, leitete diesen Laienorden. Chuan Zhi Shakya ist mir bis heute Meister, Lehrer und Freund. Er steht mir nach wie vor bei Fragen zur Seite. Sein Buch „Exploring Chan“ ist mir ein Leitfaden.

Wie sind Sie zu einer Gemeinschaft in den USA gekommen?

Ich bin im Internet auf den Orden gestoßen. Im Jahr 2011 bin ich der Gemeinschaft beigetreten und habe die Lehrberechtigung erhalten. Die Lehrübertragung erfolgt immer vom Meister zum Schüler, und dies schon über die Jahrhunderte. Anfangs habe ich mir die Rolle als Lehrer nicht ganz zugetraut. Ich bekam aber viel Fürsprache. „Wenn nur erleuchtete Lehrer lehren würden, dann wäre der Buddhismus schon längst ausgestorben“, meinten sowohl Chuan Zhi Shakya als auch mein damaliger Mentor in der Gemeinschaft, Fa Dao Shakya, dem ich sehr viel verdanke, was das tiefere Verständnis des Chan betrifft.

Ihnen ist die Übertragungslinie wichtig?

Linie hat nichts mit Erwachen oder Übertragung von Erleuchtung zu tun. Bei uns geht es schlicht um die Weitergabe der Lehrberechtigung. Es gibt viele Gemeinschaften, die aus dem Nichts entstehen. Bei uns gibt es jedoch eine Tradition, die durch die Weitergabe der Lehrberechtigung vom Lehrer an seinen Schüler erhalten wird. Die Linie ist daher von besonderer Bedeutung. Dennoch muss man Linie immer auch realistisch sehen. Die wenigsten Linien sind fehlerfrei oder lückenlos. Auch das ist eine Realität.

Fa Yi Shakya

Foto © privat

Mussten Sie ein Mönch werden, um die Lehrberechtigung zu erhalten?

Ich bin derzeit kein Mönch. Ich war in der Vergangenheit zweimal für kurze Zeit Mönch in der Tradition des Theravada in Thailand. Heute bin ich Familienvater, verheiratet mit einer thailändischen Buddhistin und Vater eines vierzehnjährigen Sohnes.

Sie tragen aber Robe?

Die Robe hat etwas mit meiner Ordination zu tun. Ich bin ordiniert nach dem Brahmajala-Sutra. Also einer Ordination auf die Bodhisattva-Gelübde. Diese Ordination ist vergleichbar mit der Ordination von Zen-Mönchen in Japan. Die können ebenfalls heiraten. Ich sehe die Robe ganz pragmatisch als Arbeitskleidung, so wie ein Maler einen Kittel trägt. Während meiner Praxis oder wenn ein Schüler vorbeikommt, trage ich sie. Es ist äußeres Zeichen meiner Tätigkeit als Lehrer.


Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 117: „Meditation"

UW117 Cover


Sie würden also auf die Robe nicht verzichten wollen?

Sie ist lediglich ein Hilfsmittel. Im Prinzip ist sie nebensächlich. Eine Robe ist nur ein Stück Stoff. Aber eben mit viel Symbolik. Viele Personen, die sich als säkulare Buddhisten bezeichnen, haben einen Buddha vor sich stehen, wenn sie meditieren, oder zünden eine Kerze an, weil es eine schöne Einstimmung ist. Im Prinzip sind es Äußerlichkeiten, die aber einen gewissen Wert besitzen, weil sie uns helfen können, uns auf das Wesentliche zu fokussieren. Mein Rezitationsheft vergleiche ich auch immer mit Haftnotizen. Sie zeigen mir vor der Meditation, um was es eigentlich geht. Für mich ist zentral, eine Verbindung zwischen Tradition und Moderne zu schaffen. Ich sehe mich als einen Brückenbauer zwischen Ost und West.

Worin genau besteht für Sie diese Verbindung zwischen Tradition und Moderne?

Tradition hat uns viel zu geben, denke ich. Sie ist die Weisheit von Hunderten von Menschen der Vergangenheit, die ebenfalls versucht haben, Buddhas Weg zu gehen. Daraus sind Rituale, verschiedenste Meditationstechniken und große Gedanken entstanden. Wir finden hier 2.600 Jahre Erfahrung, die wir für uns nutzbar machen können. Ich sehe das Dharma als meine Wanderkarte, die Tradition als Wegmarken und eine zeitgemäße nichtreligiöse Interpretation von Buddhas Lehre als lebenspraktisches Ziel, um besser durchs Leben zu gehen und auch ein besserer Mensch zu werden. Chan als Lebensweg, nicht als Religion.

Buddhabaden: Mit dem Ritual vergegenwärtigt man sich der Lehre Buddhas. Die Handlung des Buddhabadens wird mit einer geistigen Übung verknüpft: Dreimal gießt man Wasser aus einer Kelle über eine Buddha-Statue. Als Erstes über die linke Schulter der Statue. Während dies geschieht, nimmt man sich vor, ein Leben in Achtsamkeit zu führen. Zum Zweiten gießt man Wasser über die rechte Schulter und beschließt, das Dharma zu studieren. Beim Guss über Kopf und Rücken der Statue geht es um die Vergegenwärtigung, dass man ein fehlerbehafteter Mensch ist und versucht, Mitgefühl mit der Welt und den anderen Menschen zu entwickeln.

Vesakh ist der höchste buddhistische Feiertag und erinnert an die Geburt, Erleuchtung und das vollkommene Verlöschen des Buddha. Vesakh-Feste finden meist zwischen Ende April und Anfang Juni statt. Der Festtag verschiebt sich jedes Jahr, da dieser nach einem Mondkalender, dem Lunisolarkalender, berechnet wird.

Fa Yi Shakya Laoshi ist Gründer und Leiter der Bodhidharma-Chan-Gemeinschaft. www.bodhidharma-chan-gemeinschaft.de

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Ester Platzer

Ester Platzer

Ester Platzer, 1979, lebt in Wien und ist Mitglied der Chefredaktion bei Ursache\Wirkung. Davor lebte und arbeitete sie viele Jahre in Ostafrika. Ester absolvierte ihr Magisterstudium in internationaler Entwicklung an der Universität Wien.
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