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Achtsamkeit & Meditation

Kommunikation ist das wirksamste Instrument, um Menschen zu helfen, die sich in einer Krise befinden. Niemand weiß das besser als die Therapeuten und Seelsorger in Kriseninterventionsstellen.

Menschen sind „symbiotische Zellen in einem gigantischen Organismus“, schreibt Stephen Batchelor in seinem jüngsten Buch „Die Kunst, mit sich allein zu sein“. Als Gemeinschaftswesen benötigt er den Austausch und die Kommunikation fast ebenso sehr wie die Luft zum Atmen.

Schön, aber was, wenn man zu wenig Verbindung zu seinen Angehörigen, Bekannten oder Mitmenschen hat? Die Krise, deren Namen aus Überdruss schon gar nicht mehr ausgesprochen werden soll, zwingt alle dazu, ihre Sozialkontakte einzuschränken. Jene Menschen, die schon davor eher kontaktarm waren, können dadurch in soziale Isolation beziehungsweise Einsamkeit geraten, die in Normalzeiten vielleicht gar nicht offen zutage getreten wäre.

Thomas Kapitany, Leiter des Kriseninterventionszentrums in Wien und Psychiater sowie Psychotherapeut, erläutert das an einem Beispiel aus seiner Praxis: „Eine Lehrerin rief bei uns an, weil sie Schwierigkeiten damit hatte, sich auf Distance Learning umzustellen. Darüber hinaus ist sie alleinstehend, mittleren Alters, eher ängstlich. Sie musste die meiste Zeit bei sich zu Hause verbringen und durch den plötzlichen Wegfall ihres vertrauten beruflichen Umfelds erlebte sie ihre Isolation umso stärker. Dadurch wiederum intensivierten sich auch ihre depressiven Tendenzen.“

Wie kann der Therapeut in einem solchen Fall unterstützend wirken? „Zunächst brachte es eine erste Entlastung, dass sie sich mir mitteilen konnte, dass ich ihr zuhörte und Verständnis entgegenbrachte. Eines unserer Tools ist, im Gespräch herauszufinden, welche Ressourcen die Person hat und nutzen kann; diese gilt es dann zu aktivieren. Im konkreten Fall ist der direkte Austausch mit Kolleginnen und Kollegen sowie Schülerinnen und Schülern derzeit nicht möglich – aber gibt es andere menschliche Beziehungen, auf die sie zurückgreifen kann? Es stellte sich heraus, ja, sie hat Verwandte und eine Freundin in einem anderen Bundesland, zu denen sie wieder Kontakt aufnahm. Zu den Ressourcen zählen auch persönliche Interessen, so etwa, in die Natur hinauszugehen, wozu ich sie ermunterte“, berichtet Kapitany.

Ein weiteres Hilfsmittel, insbesondere bei einer depressiven Problematik, ist, eine bestimmte Struktur in die Tage hineinzubringen. Gerade in  ungewissen Corona-Zeiten sehen wir, dass vielen, sei es durch Arbeitslosigkeit oder Lockdown, ihre gewohnten Strukturen weggebrochen sind. Daher sollte man sich Tagespläne machen: Wann gehe ich einkaufen, wann gehe ich spazieren? Das gibt Stabilität.

Kriseninterventionsstellen

Das Problem in Worte fassen

Grundsätzlich ist Kommunikation ein wirksames Instrument, um jemandem zu helfen, der in eine Krise geraten ist. Viele Personen, die psychisches Leid erfahren, stehen vor einer für sie neuen und unerwarteten Situation. Sie haben keine Erfahrung beziehungsweise Routine darin, damit umzugehen. „Unsere Aufgabe ist es, sie mithilfe unseres kommunikativen Instrumentariums dabei zu unterstützen, einen Ausdruck für das zu finden, was sie belastet, und ihnen aus der Isolation herauszuhelfen“, berichtet Thomas Kapitany aus seiner Praxis. Wenn man die Problematik – negative Gefühle, kreisendes Denken, Gefährdungen, Aggressionen gegen sich selbst oder nach außen – mithilfe des Therapeuten benennen kann, schafft das bereits eine erste Distanz dazu. Sie erscheint dann weniger bedrängend, man kann sie wie von außen betrachten und leichter einschätzen. Nicht nur das. Ließe man das Problem unbehandelt, bestünde auch die Gefahr, dass sich akute Ereignisse chronifizieren oder sich psychische Symptome auch zu körperlichen auswachsen.

Letzten Endes, fasst Kapitany zusammen, könne der Therapeut seinen Klienten dabei helfen, wieder handlungsfähig zu werden, ihm die Bewältigung aber nicht abnehmen – das wäre im Sinne der Selbstverantwortlichkeit auch völlig unproduktiv.

Zwischenmenschliche Begegnung in Kriseninterventionsstellen

Einen etwas anderen Ansatz als das Kriseninterventionszentrum hat die rund um die Uhr erreichbare Telefonseelsorge. Dort heben nicht professionelle Therapeutinnen und Therapeuten ab, sondern Ehrenamtliche, die aber sorgfältig ausgewählt worden sind und eine einjährige einschlägige Ausbildung erhalten haben. Mitzubringen sind drei Grundhaltungen: Wertschätzung des Anrufenden, Empathie mit diesem und eigene Authentizität. „Wir haben keine ,Rezepte‘, sondern versuchen zunächst einmal, eine Beziehung zu der anrufenden Person aufzubauen. Allein schon ein gelingender Kontakt bewirkt eine gewisse Entlastung und Entspannung. Wenn sie sich wahrgenommen und wertgeschätzt fühlt, kann sie die Enge ihrer Krise ein Stück weit öffnen und daraus neue Perspektiven entwickeln“, erklärt Antonia Keßelring, Leiterin der Wiener Telefonseelsorge.

Im Vordergrund stehe die zwischenmenschliche Begegnung – und diese könne auf ihre Weise ebenso hilfreich sein wie ein professionelles therapeutisches Gespräch, ist Antonia Keßelring überzeugt. „Bei uns rufen Menschen an, die über weite Strecken einfach niemanden haben, mit dem sie reden können. Einsamkeit ist ein großes Thema. Ebenso auch depressive Verstimmungen und Ängste – und all das hat durch Corona noch einmal deutlich zugenommen. Unsere Mitarbeiter gehen aus freien Stücken ans Telefon, weil sie helfen wollen, und sie werden auch nur ein-, zweimal in der Woche eingesetzt. Dementsprechend können sie mit all ihrer Aufrichtigkeit und ihrem Einfühlungsvermögen ins Gespräch hineingehen und den Anrufenden ihr Ohr leihen.“ Es sei eine erste telefonische Handreichung. Für therapeutische und sonstige Hilfestellungen sind andere zuständig: Antonia Keßelring zeigt auf einen dicken Ordner voll mit Kontaktdaten von der psychiatrischen Notfallambulanz bis zu Anlaufstellen bei finanziellen Problemen, Beziehungs- und Familienangelegenheiten und vielem mehr, an welche die Anrufenden im Bedarfsfall weitergeleitet werden.


Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 115: „Rede mit mir!"

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Einen mantraartiger Schuss Zuversicht bei jeglicher Bedrängnis geben die Verszeilen aus Hölderlins Gedicht „Patmos“ wieder: „Wo aber Gefahr ist, wächst / Das Rettende auch.“ Und das tut es zur Not auch am anderen Ende einer seelsorgerischen Hotline.

 

 Österreich:

Kriseninterventionszentrum

Tel. 01-406 95 95, Mo.–Fr. 10–17 Uhr sowie E-Mail-Beratung mit Antwort innerhalb der nächsten 24 bis 48 Stunden

www.kriseninterventionszentrum.at

 

Deutschland:

www.telefonseelsorge.de
Tel.: 0800-11 10 111 oder 0800-11 10 222

Anonyme, kostenlose Beratung rund um die Uhr

 

Schweiz:

www.kriseninterventionschweiz.ch

Telefonseelsorge „Die Dargebotene Hand“
Tel.: 143

www.143.ch 

Anonyme, kostenlose Beratung rund um die Uhr

 

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Harald Sager

Harald Sager

Mag. Harald Sager studierte an der Universität Wien und schreibt seit gut zwanzig Jahren vornehmlich im Lifestyle-Bereich. Aktuelle Schwerpunkte sind Reiseberichte für nationale und internationale Blätter sowie Design und spirituelle/yogische Themen.  
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