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Achtsamkeit & Meditation

Körper und Geist. Wer heilt wen? Der tibetischen Gesundheitslehre liegt ein ganzheitliches Menschenbild zugrunde.

Die tibetische Gesundheitslehre Sowa Rigpa, auch ‚das Wissen vom Heilen‘ genannt, ist eines der großen traditionellen Medizinsysteme Asiens. Gemäß der tibetischen Anschauung besteht die uns umgebende Natur – und somit auch der Mensch – aus fünf Elementen. Die Übergänge und die Wandlung der Elemente im Lauf der Zeit werden durch die drei dynamischen Prinzipien, auch ‚Energien‘ genannt, Lung, Tripa und Beken beschrieben. Diese sind für verschiedene Körperfunktionen, Organe sowie für mentale und psychische Funktionen zuständig.
In jedem Menschen sind diese drei Prinzipien in einem ihm eigenen Verhältnis zueinander vorhanden und bestimmen seinen Konstitutionstyp, meist stehen ein oder zwei Prinzipien im Vordergrund. In der tibetischen Gesundheitslehre bedeutet Gesundheit, dass die drei Prinzipien in individueller, typengerechter Balance stehen. Gerät dieses Verhältnis aus dem Gleichgewicht, etwa durch falsche Ernährung oder ungünstiges Verhalten, können Beschwerden folgen.
Sind die drei Prinzipien im Gleichgewicht, ist sowohl der Körper als auch der Geist gesund. Disharmonie drückt sich anfangs in einem energetischen Ungleichgewicht aus und kann sich in der Folge zu einer körperlichen oder seelischen Störung, die im schlimmsten Fall zu einer Krankheit wird, entwickeln.

Das tibetische Sowa Rigpa setzt vorerst auf Diät- und Verhaltensoptimierung, um die drei Prinzipien wieder in Balance zu bringen. Hier können insbesondere auch den Tagesablauf strukturierende, regelmäßige Meditationsübungen Gelassenheit fördern. Die moderne Chronobiologie bestätigt die gesundheitsfördernde Wirkung rhythmischer Maßnahmen, die die Körperfunktionen harmonisieren. So konnte gezeigt werden, dass bestimmte rhythmische, laut vorgetragene Verse und Mantras Atmung und Herzschlag synchronisieren.

In einem zweiten Schritt kommen äußere Therapien wie Massage und Moxa sowie vor allem Pflanzenformeln zur Anwendung. Dabei handelt es sich um überlieferte Rezepturen aus üblicherweise drei bis 20 und mehr Komponenten, hauptsächlich pflanzlichen, gelegentlich auch mineralischen Ursprungs. Die darin enthaltenen pflanzlichen Schutzstoffe, wie etwa Polyphenole, Tannine und ätherische Öle, wirken synergistisch und haben in ihrer Vielfalt Effekte auf ganz unterschiedliche Prozesse.
Damit werden die Organe, die Zellen und die verschiedenen Stoffwechselvorgänge angesprochen. Die ganze Formel wirkt als Systemmittel. So besitzen viele Pflanzeninhaltsstoffe gemeinsame Gruppeneffekte, etwa antientzündliche Aktivitäten, die eine Verbesserung des Grundzustandes bewirken und somit den Behandlungsverlauf positiv beeinflussen können. Aus der Sichtweise der Tibetischen Konstitutionslehre Sowa Rigpa hat diese mehrschichtige Wirkweise einen kausalen Zusammenhang mit der Komposition der Kräuterformeln gemäß den energetischen Prinzipien.

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Über die Körperenergie
Die Anhaftung des Geistes liegt ja den Bewegungen der drei Körperenergien, Lung, Tripa und Beken, zugrunde. Dagegen setzt die westliche philosophische Tradition den Cartesianischen Schnitt zur Trennung von Geist und Körper. Forschungsergebnisse der modernen Medizin lösen diese scharfe Grenze immer mehr auf, etwa durch die Erkenntnis des autonomen Nervensystems, des Vegetativums. Dieses oft auch Bauchhirn genannte Nervensystem umfasst etwa 500 Millionen Zellen und arbeitet autonom. Sympathikus und Parasympathikus reagieren sehr stark auf unsere Stimmungslage.
Wie jeder weiß, spiegeln unsere Verdauungsorgane verlässlich unseren Gemütszustand wider. Obwohl im Gehirn 200 Mal mehr Zellen arbeiten, ist das Gehirn – und damit aus westlicher Sicht der Geist – nicht der alleinige Herr im Haus. Das Vegetativum regiert unsere Eingeweide unabhängig, übernimmt wichtige Funktionen der Steuerung und trägt so zu unserem Wohlbefinden bei. Weiters hat gemäß den Erkenntnissen der Psychoneuroimmunologie das Immunsystem bestimmte Rückkopplungen mit dem psychischen Geschehen. So ist durchaus bekannt, dass Stress gewisse Immunfunktionen hemmen kann. Zusammenfassend lässt sich also festhalten: Unser Körper besitzt in einem gewissen Maß eine eigene, autonome Intelligenz. Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass eine stringente Meditationspraxis und ein geordnetes Leben auch eine Gesunderhaltung des Organismus bewirken.

Was aber ist Krankheit, also der Zustand, in dem die Befindlichkeit nicht optimal ist? Kann Meditation sich positiv auswirken? In diesem Fall möchte der Praktizierende auf organischer Ebene bestimmte kausale Effekte erzielen, etwa jenen, Schmerzen besser ertragen oder den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen zu können. Hier wird die Antwort schon komplexer.
Dazu möchte ich von einer Begegnung mit S.H. dem Dalai Lama berichten. Dieser erzählte, dass er in Zürich wie üblich das Vergnügen hatte, an vielen wissenschaftlichen und spirituellen Versammlungen teilzunehmen. Nun ergab es sich, dass er trotz der rezitierten Mantras und der vielen spirituellen Rituale mit Halsweh zu kämpfen hatte. Mit seinem für ihn typischen Schmunzeln meinte er, anscheinend hatten also die Mantras keinen Einfluss auf sein körperliches Problem.

UW102 SchwablUnd so musste die Medizin eingreifen. Zwar hätten vielleicht manche Menschen – wegen des komplexen textlichen und historischen Hintergrundes – den irreführenden Eindruck, dass die Tibetische Medizin untrennbar mit religiöser Praxis oder religiösem Glauben und Mythen verbunden sei, jedoch sollte man nicht den falschen Eindruck gewinnen, dass Pillen irgendwie durch eine Zeremonie des Segnens eine spezielle Kraft der Heilung erwerben. Der Dalai Lama betonte: Nur Medizin kann dem kranken Körper helfen. Dies zeigt auch, dass Sowa Rigpa eine eigenständige, autonome wissenschaftliche Disziplin ist.


Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 102: „Wie Meditation heilt"

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Die Tibetische Medizin muss also in der Lage sein, die Kraft der Heilung zu haben – auch wenn sie im Kontext eines Patienten praktiziert wird, der kein Interesse oder keine Neigung zu irgendeiner Form von religiöser Überzeugung hat und der auch nicht bereit ist, zu üben oder zu glauben. Die Tibetische Medizin kann jedem Menschen in Not überall auf der Welt, auf allen Kontinenten, in den verschiedenen Nationen und mit verschiedenen spirituellen Überzeugungen helfen.
Wichtig ist jedoch: Wenn der Mensch ein Praktizierender ist, dann kann jeder Einzelne den Verlauf der Heilung durch die Medizin mit seiner spirituellen Praxis ergänzen. Hier kann etwa eine Segenszeremonie, das Rezitieren bestimmter Mantras, die Entwicklung eines bestimmten Geisteszustandes oder einer bestimmten Geisteshaltung für die Heilung förderlich sein.

Dr. Herbert Schwabl, geboren 1961 ist Biophysiker. Bereits während des Studiums in Wien kam er über die Forschung in Kontakt mit tibetischen Kräuterrezepturen. Heute ist Schwabl Geschäftsführer und Forschungsleiter der PADMA AG, der einzigen Firma in Europa, die Rezepturen basierend auf der Tibetischen Konstitutionslehre herstellt.

Bilder © PublicDomainPictures / Pixabay.com

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