Im Kern sind wir wunderbar - „Ich bin. Aber ich habe mich nicht. Darum werden wir erst“, hat der Philosoph Ernst Bloch geschrieben.
Im Ich-Werden kann uns Meditation ganz wunderbar begleiten. Gelingt es, beim Meditieren zunehmend aufzuwachen, dann ist das Werden ein Heilungsprozess, ein Heil-Werden. Denn wir haben uns nicht, weil wir uns im Heranwachsen nicht in Besitz nehmen dürfen. So viel Wenn und Aber, so viel Außenwelt, die sich gegen unsere Innenwelt wendet und uns zurechtstutzen möchte, uns dabei verletzt und verbiegt und gefangen nimmt! Als Erwachsene, aus Schule und Elternhaus entlassen, beginnen wir genauer hinzuspüren und alles Nicht-Ich auszusortieren. Wir nehmen uns Zeit, mit unserem Leiden und unseren Verletzungen zu sein, und erleben im besten Fall einen Heilungsprozess, bei dem Meditation sehr erhellend wirkt.
Meditation ist die tägliche homöopathische Dosis, die Geist und Körper brauchen, um ins Gleichgewicht zu kommen, das Herz offen zu halten und den Humor zu bewahren. Wenn wir diese kostenlose Medizin in konzentrierter Form zu uns nehmen, dann geht sie weit über das Alltägliche hinaus und erlaubt uns einen Blick in die universellen Zusammenhänge des Daseins. Sie zeigt uns, wie sehr wir mit allem Leben verbunden sind und dass es nie so reibungslos läuft, wie wir es gerne hätten. Meditation legt Konditionierungen frei, Muster, die uns beherrschen und begrenzen, häufig auch schaden. Sie zeigt uns, dass alles Leben von Konditionierungen geprägt ist. Meditation ist nicht nur eine Medizin, die Leiden heilt, sondern auch ein Werkzeug, das uns befreien kann von den Fesseln der Gewohnheit und des Denkens.
Wir dürfen bei dieser Lobeshymne jedoch nicht vergessen, dass es auch Meditationsmethoden gibt, die den gesunden Menschenverstand einschläfern und Einsicht verhindern. Wenn Meditation genutzt wird, um eine träge Ruhe zu erlangen, dann heilt sie nicht. Wenn der Geist beim Meditieren abgeschaltet wird und die Meditierende gar nicht mehr weiß, wo sie ist und wer sie ist, und sich für eine Weile im Niemandsland der Vergessenheit auflöst und das auch noch als Wohltat erlebt, dann bestärkt sie eher das Althergebrachte. Meditation sollte uns ins Leben hinein-, nicht aus dem Leben herausziehen. Eine aufweckende, heilsame Meditationsmethode macht uns lebendig und präsent, nicht verschlafen, sie schärft das Unterscheidungsvermögen, nicht die Gleichgültigkeit.
Es wird daher von Vorteil sein, unterschiedliche Meditationsmethoden zu studieren, damit wir erkennen, wie der Geist auf verschiedene Techniken anspricht. So wie ein Künstler ausprobiert, ob er mit Öl, Acryl oder Aquarellfarben die schönsten Landschaftsbilder vollbringt, so kann sich dann auch ein Meditierender in verschiedenen Lebensphasen entscheiden, ob er etwa lieber dem inneren Ton lauscht oder sich dem Atem zuwendet, ob sie Einsichtsmeditation oder Metta-Meditation anwendet, um ihr körperliches und seelisches Gleichgewicht zu stabilisieren und zu dem wunderbaren Menschen zu werden, der wir alle im Kern bereits sind.
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