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Achtsamkeit & Meditation

Gelassenheit ist eine schöne Sache. Ich hätte nie gedacht, dass mich alte Drama-Queen dieser Zustand einmal interessieren würde. Ich wollte immer heftig, leidenschaftlich für oder gegen eine Sache sein, niemals lau, niemals gelassen, immer entweder ... oder, immer intensiv, immer bunt und hör- und sichtbar sein. 

Gelassenheit ist mir eher langweilig und uninteressant vorgekommen, etwas für die Alten, die auf der Bank in der Sonne sitzen und Tauben füttern und gelangweilt auf den Tod warten. Wie kann ich in Anbetracht der ungeheuerlichen Machenschaften auf dieser Erde gelassen sein? Wie kann ich gelassen der nie enden wollenden Gewalt, Ausbeutung, dem Betrug und der immer größer werdenden Schere zwischen Arm und Reich zuschauen? Wie kann ich Gelassenheit zeigen im Angesicht der jahrtausendealten Übermacht des patriarchalen Gehabes der Männer, aber auch das dümmliche Verhalten der vielen Frauen, die nichts anderes als Mode, Kosmetik und Getratsche im Sinn haben, gelassen betrachten? Was heißt das eigentlich: Gelassenheit? Gehen lassen, loslassen, zulassen, verlassen, auflassen, alles keine besonders aufbauenden Zeitwörter. Nein, gelassen zuschauen, wie ich selbst immer mehr von meiner Kraft verliere, mein Ablaufdatum immer näher rückt, das Alter jeden Tag mehr seinen Tribut fordert, nein, ich will gegen das Alter kämpfen, ich will mich der Flut von ‚Anti-Aging‘-Produkten und -Angeboten hingeben, ich will sie alle ausprobieren, ich will gegen mein Altwerden = anti-aging = anschreiben, gegen meine spröden Knochen anturnen, gegen meine Falten schmieren, nein, ich bin einfach dagegen, wenn ich mal von der großen Weltsituation absehe. Denn dort kann ich eh nichts ausrichten, die Welt nimmt sowieso ihren Lauf, hat ihr eigenes Karma, und da kann ich dagegen sein, so viel ich will, wir leben auf einem Planeten der Dualität, und da gibt es nun mal Gutes und Böses. Was die einen gut finden, finden die anderen schlecht, das fängt schon im Kindergarten an und endet bei den Religionen, die seit Tausenden von Jahren gegen die anderen, die Ungläubigen, in den Krieg ziehen, den heiligen wohlgemerkt, und im Namen irgendeines Gottes, immer des eigenen natürlich, morden, rauben und vergewaltigen. Warum die Welt so viel Sinn im Wahnsinn findet, ist nicht zu verstehen. Nein, nein, nein. Da geh ich doch lieber in ein Kloster, in einen Ashram, und ziehe mich von dieser Welt zurück und übe Gelassenheit. Dort gibt’s hoffentlich kein Radio, kein Fernsehen, kein Internet und daher auch keine Informationen aus der bösen Welt da draußen. Da bleibe nur ich übrig, ich mit mir, ganz allein, da kann ich Frieden finden, Gelassenheit üben und Klarheit, und sat chit ananda, die Erleuchtung, leuchtet mir.
Jetzt habe ich mich genug aufgeregt und kann mein Leben viel gelassener betrachten, ich brauche keinen fremden Ashram, ich habe meinen eigenen Ashram bei mir zu Hause – so wie wir alle.

Dual

Wie gut das tut, tief auszuatmen und wieder einmal fünf Minuten lang das kleine, rote Messer, das ich, ich weiß es ganz genau, dahin gelegt habe, zu suchen, ganz gelassen und in Ruhe. Und wieder geht der Kompostkübel fast über, gelassen trage ich ihn hinaus, und im Keller brennt das Licht und meine erwachsenen Kinder sagen mir abwechselnd, was für eine unmögliche Mutter ich doch bin, dominant und überhaupt. Ich nehme das alles ganz gelassen hin und in ein paar Stunden hat sich alles wieder beruhigt und gefunden. Na, geht doch!
Im Ayurveda gehört Gelassenheit zum energetischen Prinzip ERDE, die Erde, die wie die gute Mutter alles gelassen hinnimmt, wir können sie jahrzehnte- und jahrhundertelang malträtieren, sie bringt doch jeden Frühling wieder neues Leben, neues Grün hervor, manchmal schüttelt sie sich, dann schauen wir alle ganz erschüttert, aber das Leben geht weiter, gelassen und unaufhörlich, egal, wie wir uns aufführen.
Gelassenheit hat also nur mit dem eigenen Wohlbefinden zu tun, mit dem eigenen Loslassenkönnen, mit dem eigenen Zulassen des Lebens – so, wie es eben ist?
Tja, heureka, das ist doch eine gute Sache, die Gelassenheit, ich will sie üben, auf allen Ebenen, auf meiner Haut, meinen Knochen, meinem Geist, bis hinein in mein Herz.
Und dort bin ich zu Hause, in der vollkommenen Gelassenheit …
Ich wünsche Ihnen Gelassenheit, wie hektisch auch immer sich Ihre In- und Umwelt gebärdet!

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Renata Mörth

Renata Mörth

Renata Mörth, geboren 1945, ist Pharmazeuthin und Psychotherapeuthin und führt seit 1980 das Ayurverdahaus Nexendorf. www.ayuverda-verein.at  
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