Manager tun es. Hausfrauen auch. Vielleicht auch Ihr Gärtner oder die Frau an der Supermarktkasse. Zeitschriften berichten regelmäßig übers Meditieren. Was früher Mönchen und Yogis vorbehalten war, hat seinen Weg in unseren Alltag gefunden.
Manch einer versucht damit sein Leben zu optimieren, andere mehr Konzentration zu erlangen, ruhiger zu werden, mit Stress oder Erkrankungen besser umzugehen oder gar die Erleuchtung zu erlangen. Der Grund, warum sich Menschen auf den Pfad der Meditation begeben, ist so unterschiedlich wie die Personen selbst und die verwendeten Techniken. Die einen richten ihre Aufmerksamkeit auf ihren Atem, die anderen rezitieren beständig ein Mantra, lassen ihren Blick auf einer Blüte ruhen, spüren ihren Körper in Bewegungen des Yoga oder entspannen sich in die Weite ihres Geistes hinein. Manche kommen dazu, weil es ihnen ihr Arzt empfohlen hat. Andere beschäftigen sich gezielt damit und suchen sich bewusst einen für sie passenden meditativen Pfad aus.
Die Beruhigung und Stabilisierung des Geistes entsteht durch die Sammlung der Aufmerksamkeit auf ein Meditationsobjekt.
DIE Meditation gibt es nicht
Auf der ganzen Welt haben sich, seit es Menschen gibt, meditative Wege entwickelt. So gibt es beispielsweise traditionell buddhistische, christliche, hinduistische, islamische und schamanische Meditationsformen sowie einige neue Entwicklungen, die in der New-Age-Bewegung entstanden sind. Dabei unterscheiden sich die Meditationstechniken in ihrer Ausführung und dem ‚Zweck‘, den sie verfolgen. Die einen führen den Übenden zu Einheitserfahrungen mit Gott oder der Natur, andere schulen Qualitäten wie Achtsamkeit, Weisheit und Mitgefühl und haben letztendlich die vollständige Erleuchtung zum Ziel. Es gibt bewegte Meditationsformen, wie beispielsweise Yoga, Tai Chi und Qi Gong, die Gehmeditation oder die Dynamische Meditation, sowie eher unbewegte Formen wie das stille Sitzen im Zazen, die Vipassana- oder Dzogchen/Mahamudra-Meditationen sowie die Achtsamkeits- und Mitgefühlsmeditation. In manchen Meditationsformen wird mit Visualisierungen von bestimmten Buddha-Formen und Rezitationen von Mantras gearbeitet – wie etwa in einigen Meditationen des tibetischen Buddhismus, in anderen wird schlicht die Aufmerksamkeit auf den Atem oder auf Körperempfindungen gelenkt oder der Übende ruht in der gegenstandslosen, offenen Weite des Geistes.
Meditation ist in diesem Zusammenhang einerseits eine Übung in Sammlung der Aufmerksamkeit, andererseits auch ein Erfahrungs- und Entwicklungsweg, um sich, je nach Übungsform, in Achtsamkeit, Klarheit, Weisheit und Mitgefühl zu üben und sich darüber hinaus dem formlosen, nichtbegrifflichen Bereich des Geistes zu öffnen, Einsicht in die Natur der Dinge und die sogenannte Erleuchtung zu erlangen.
Meditation kann in zwei ‚Stufen‘ eingeteilt werden:
1. Beruhigung und Sammlung des Geistes – auch Shamata oder Shine genannt
2. Klarheit und intuitive Einsicht – auch Vipassana oder Lhaktong genannt
Die Beruhigung und Stabilisierung des Geistes entsteht durch die Sammlung der Aufmerksamkeit auf ein Meditationsobjekt. Das kann die achtsame Wahrnehmung der Bewegung des Körpers sein, die Atemempfindung, eine Kerzenflamme, die Rezitation eines Mantras oder eine Visualisierung. Diese Sammlung bringt den Geist zur Ruhe. Aus dieser geistigen Ruhe entsteht meist ganz natürlich die zweite Stufe, in der Erfahrungen und Erkenntnisse jenseits des intellektuellen Nachdenkens entstehen können, die häufig mit Erfahrungen und direkter, klarer Einsicht in die Dinge, wie sie sind, mit Offenheit und geistiger Weite einhergehen bis hin zur Auflösung jeglicher Täuschungen über uns selbst und die Welt, also Erleuchtung oder Erwachen.
Es geht auch ohne Religion
Einige Meditationen lassen sich durchaus losgelöst aus einem traditionellen religiösen Gefüge praktizieren, wie beispielsweise die Übungen des Yoga und der Achtsamkeitsmeditation, etwa Body-Scan, Geh- und Atemmeditation, auf denen auch das Mindfulness-Based Stress Reduction Training (MBSR) zur Stressbewältigung basiert wie auch die Mindfulness-Based Cognitive Therapy (MBCT) – ein Training zur Rückfallprophylaxe bei Depressionen. Auch die Mitgefühlsmeditation ‚Metta‘ findet mittlerweile in den psychologischen Übungsprogrammen zur Kultivierung von mehr (Selbst-)Mitgefühl – Mindfulness-Based Compassionate Living und Mindful Self-Compassion – Verwendung.
Statt wach und präsent beim Atem zu bleiben, schläft man am Anfang schon mal ein oder verliert sich schnell in Grübeleien.
Meditation an sich ist nichts Geheimnisvolles oder Kompliziertes. Sie ist erlernbar wie Schreibmaschine schreiben, Fahrrad fahren oder stricken. Wichtig ist dabei, eine den persönlichen Möglichkeiten und dem angestrebten Ziel dienliche Auswahl der Meditation zu treffen, eine saubere, dennoch entspannte Ausführung der Anleitung, regelmäßige Übung und die Begleitung durch einen Lehrer.
Meditieren verändert uns
Was sich jeweils in uns verändert, hat viel mit dem gewählten meditativen Weg zu tun. Üben wir uns beispielsweise in der Mitgefühlsmeditation, werden sich mit der Zeit mehr Herzensgüte und die Fähigkeit, mit uns selbst und anderen freundlicher, offener und mitfühlender umzugehen, stärken. Durch die Achtsamkeitsmeditation entstehen mit der Zeit eine erhöhte Sammlungsfähigkeit sowie eine wache, unaufgeregte Präsenz im Leben. Wir nehmen bewusster teil am gegenwärtigen Moment. Wir schweifen nicht mehr so viel in die Zukunft oder Vergangenheit ab und verstricken uns weniger in Grübeleien und Interpretationen. Das befriedet unser Gemüt und Stress sowie Anspannung reduzieren sich. Forschungen mit Teilnehmern des MBSR-Programms zeigen, dass sich schon nach acht Wochen täglicher Übung Stresshormone bei den Teilnehmern des Programms deutlich reduziert haben, das Immunsystem sich stabilisiert und sich auch das Gehirn wieder regeneriert. Darüber hinaus berichteten die Teilnehmer, dass sie sich wesentlich gelassener und stressresistenter fühlten und sich auch meist wieder besser konzentrieren konnten. Lebensveränderungen, Erkrankungen, Schmerzen und Krisen konnten von ihnen leichter bewältigt werden.
Die Basics für eine ‚richtige‘ Meditation
Bei der schlichten Grundform, der Sitzmeditation, die sich in leicht abgewandelter Form in den meisten Schulen wiederfindet, bildet eine aufrechte und doch bequeme, gut geerdete Sitzposition das körperliche Fundament. Sitzt der Meditierende sicher, bequem und aufrecht, kann der Körper loslassen und sich entspannen, während der Geist durch die aufrechte Haltung in einem natürlichen, sanften Aufmerksamkeitsmodus gehalten wird. Diese sanfte Aufmerksamkeit wird auf ein Sammlungsobjekt gerichtet, wie beispielsweise die Empfindung des Ein- und Ausfließen des Atems an der Nase. Es ist wichtig, für die Zeit der Meditation den auftauchenden Gedanken, Bildern und Impulsen nicht zu folgen, sondern sie wieder loszulassen und die Aufmerksamkeit neuerlich auf das Sammlungsobjekt zu richten. Dabei sollte man sich weder zu stark unter Druck setzen, noch nachlässig werden. Stattdessen übt man sich in einer sanften und entspannt-wachen Disziplin, die Erscheinungen im Geist geschehen lässt, ohne sich in dem, was auftaucht, zu verlieren. Dass dies nicht auf Anhieb funktioniert, ist normal.
Statt wach und präsent beim Atem zu bleiben, schläft man am Anfang schon mal ein oder verliert sich in Grübeleien, schwelgt in Erinnerungen oder wilden Zukunftsfantasien, setzt sich zu stark unter Druck oder versinkt in den nebulösen Tiefen der Dumpfheit. Durch die aufmerksame Begleitung und Anleitung eines erfahrenen Lehrers können diese häufigen Anfangsschwierigkeiten – die auch durchaus später immer mal wieder auftauchen können – erkannt, besprochen und ausgeglichen werden.
Für die sitzende Variante reicht ein einfacher Stuhl, ein Meditationskissen oder -bänkchen und eine Uhr oder ein Timer, um die gewählte Meditationszeitspanne ablesen oder voreinstellen zu können. Sollten Sie eine bewegte Meditationsform praktizieren wollen, etwa Yoga, brauchen Sie eine Yoga-Matte und möglicherweise auch eine Decke für die Ruhephase im Anschluss. Die Kleidung sollte grundsätzlich bequem sein und Ihrem Körper ausreichend Bewegungsfreiheit und Wärme geben. Ziehen Sie sich während der Meditation in einen Raum zurück, in dem Sie für die Zeit der Übung ungestört und unbeobachtet sind und den Sie nach Möglichkeit Ihren Bedürfnissen nach temperieren und lüften können.
Meditieren – aber richtig!
Die Übungszeit nur langsam steigern
Wenn möglich, üben Sie täglich, und zwar anfänglich nur in kleinen Einheiten von drei bis fünf Minuten, mehr nicht. Sie können damit den Tag beginnen oder abschließen, Sie können einmal pro Tag oder mehrmals über den Tag verteilt üben, das liegt bei Ihnen. Sobald Sie merken, dass es Ihnen leichtfällt, Ihre Aufmerksamkeit auf Ihrem Sammlungsobjekt ruhen zu lassen, beispielsweise auf Ihrem Atem, und Sie sich wach, gesammelt und doch entspannt dabei fühlen, erweitern Sie die Übungszeit minutenweise, bis Sie bei einer Zeit angekommen sind, die für Sie und Ihr tägliches Leben passend ist. Manche meditieren einmal pro Tag, andere zwei- bis dreimal. Wichtig ist, dass man von sich nicht zu viel verlangt. Sehen Sie die Übung in Meditation wie ein Sporttraining an. Ihr ganzer Organismus braucht Zeit, die Übung umzusetzen und neue neuronale Schaltkreise anzulegen. Das können Sie zwar durch regelmäßige, maßvolle Übung unterstützen, jedoch nicht durch übertrieben viel Training erzwingen.
Meditation bringt nicht nur Positives hervor
Wer mit der Meditation beginnt und erwartet, sich dabei permanent entspannt und glücklich zu fühlen, wird früher oder später enttäuscht werden. Meditation ist manchmal auch anstrengend. Insbesondere schenkt sie unserem Geist Freiraum. Und darin tauchen nicht selten verdrängte Themen und Emotionen auf, die einen bisweilen sehr umtreiben und die je nach Persönlichkeit und Situation durchaus auch eine intensivere Betreuung durch einen erfahrenen Lehrer oder auch einen Gang zum Psychotherapeuten notwendig machen können. Je geübter der Praktizierende jedoch ist, umso leichter wird er mit den aufkommenden Erscheinungen umgehen können. Bei psychischen Vorerkrankungen ist es unbedingt ratsam, mit dem betreuenden Arzt, Psychotherapeuten oder einem entsprechend erfahrenen und geschulten Meditationslehrer vor Aufnahme der Meditationsübung zu prüfen, ob überhaupt und welche Meditation in der jeweiligen Situation hilfreich ist. Denn vergangene, noch nicht ausreichend verarbeitete Traumata können erneut hochkommen, Psychosen können reaktiviert und eine beginnende oder chronische Depression kann verstärkt werden. Als Rückfallprophylaxe und zur Stabilisierung nach einer überstandenen depressiven Episode ist Meditation wieder hilfreich, sie sollte jedoch in der beschwerdefreien Zeit erlernt werden.
Ein guter Lehrer erleichtert den Einstieg
Bücher und CDs mit geführten Meditationen können durchaus eine erste Inspiration und Hilfe sein und die Zeit überbrücken, solange Sie noch keinen Lehrer gefunden haben. Doch wenn irgend möglich, empfehle ich Ihnen, sich gleich von Anfang an einen Lehrer zu suchen. Sie erleichtern sich den Start damit sehr, da Sie ganz konkrete Anweisungen bekommen werden, wie Sie eine für Sie passende Meditationshaltung einnehmen und die Meditation korrekt und sicher im Alltag durchführen, sowie alle Fragen und Schwierigkeiten klären können. Sie beugen so möglichen Missverständnissen und unnötigen Fehlinterpretationen vor. Auch wenn es eine sehr individuelle, persönliche Entscheidung und Empfindung ist, mit wem man fruchtbar zusammenarbeiten kann, gibt es doch ein paar praktische Hinweise, die einen guten Lehrer auszeichnen: Der Lehrer sollte über eine eigene langjährige Übungspraxis verfügen und die Meditationsform, die er lehrt, tief durchdrungen haben. Er sollte selbst die Begleitung und Ausbildung durch erfahrene und autorisierte Lehrer genossen haben und seine Praxis auch weiterhin mit seinem Lehrer klären. Darüber hinaus sollte er leben, was er lehrt, und die Fähigkeit besitzen, auf den Schüler oder die Schülerin einzugehen und sein Wissen sowie die Anleitungen dem Lernenden mit seinen individuellen Bedingungen und Fähigkeiten angepasst und verständlich zu vermitteln. Er sollte für den Schüler im realen Leben durch Kleingruppeninterviews oder in einem klärenden Einzelgespräch persönlich zugänglich sein.
Ein guter Lehrer oder eine gute Lehrerin wird bestrebt sein, Sie in eine eigenverantwortliche, selbstständige Praxis hinein zu begleiten und Ihnen alles zu vermitteln, was Sie dafür brauchen, sodass Sie immer unabhängiger von ihm oder ihr werden. Er sollte wertschätzend persönliche Grenzen wahren können und sich ethisch korrekt verhalten. Außerdem sollte er seine fachlichen Grenzen kennen und Sie auch durchaus an einen anderen Lehrer weiterempfehlen, der sich in dem Praxisgebiet, welches für Sie relevant ist, besser auskennt.
Meditation schenkt unserem Geist Freiraum.
Unterstützung in Meditationsgruppen und -zentren
Neben der Arbeit mit einem Lehrer kann die Unterstützung durch eine Meditationsgruppe hilfreich sein, mit der man regelmäßig meditiert und sich austauscht. Solche Gruppen finden sich meist in Meditationszentren. Hier werden auch oft Kurse angeboten. Am besten besuchen Sie die angebotenen Meditationen, unterhalten sich mit den Praktizierenden und prüfen, ob Sie sich dort wohlfühlen. Es sollten die Meditationen und Erklärungen gegeben werden, die Sie interessieren. So würde es wenig Sinn machen, wenn Sie sich gerne in der Atemmeditation üben möchten und stattdessen in einer Gruppe gelandet sind, die sich in einer tibetischen Puja-Rezitation und Visualisierung einer Buddha-Form übt. In den Meditationszentren sind meist Lehrer anwesend, um die Übenden anzuleiten und zu begleiten. In kleinen Meditationsgruppen sind häufig ‚nur‘ die Praktizierenden anwesend, die aber durchaus die ersten Anfangsfragen beantworten und auch eine Lehrerempfehlung geben können.
Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 97: „Meditieren, aber richtig"
TIPPS
Was zeichnet eine/n gute/n MeditationslehrerIn aus?
• Er/ sie ist authentisch, ethisch korrekt, empathisch, geduldig, klar.
• Er/ sie hat das, was er/ sie lehrt, durch eigene Erfahrung tief durchdrungen und kann sein/ ihr Wissen und seine/ ihre Erfahrung dem Schüler/ der Schülerin verständlich vermitteln.
• Er/ sie hatte selbst LehrerInnen und klärt auch heute noch seine/ ihre Erfahrungen mit seinem/ ihrem Lehrer oder seiner/ ihrer Lehrerin.
• Er/ sie bringt die SchülerInnen zum selbstständigen Üben.
• Er/ sie wahrt seine/ ihre sowie die Grenzen der SchülerInnen.
• Er/ sie ist persönlich zugänglich für Gespräche und um Fragen zu klären.
Tipps für EinsteigerInnen
• Informieren Sie sich über die verschiedenen Meditationen mittels Literatur und CDs und wählen Sie dann eine aus, die Ihrem Bedürfnis entspricht.
• Besuchen Sie, wenn möglich, einen Meditationskurs in der gewählten Methode oder lassen Sie sich von einem Lehrer/ einer Lehrerin direkt dazu anleiten.
• Wenn Sie ohne Kurs oder LehrerIn anfangen möchten, informieren Sie sich durch praxisbezogene Literatur und beginnen Sie dann mit kurzen Übungseinheiten.
• Üben Sie täglich und lassen Sie sich von passenden gesprochenen Anleitungen auf CD in Ihrer Übung begleiten.
• Erweitern Sie Ihre Übungszeit schrittweise mit wachsender Stabilität.
• Suchen Sie sich so schnell wie möglich einen Lehrer/ eine Lehrerin und eine Gruppe.
• Lassen Sie sich auch weiterhin durch Literatur und CDs in Ihrer Praxis unterstützen.
Tipp zum Finden eines Meditationszentrums:
Auf den Seiten der Buddhistischen Union findet sich ein umfangreiches Verzeichnis von Meditationsgruppen und -zentren nach Regionen und Richtungen sortiert.
Deutschland: www.buddhismus-deutschland.de
Österreich: www.buddhismus-austria.at
Schweiz: www.sbu.net
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Illustration © Francesco Coaciella
Im Schlaf nennt man das, träumen...
Meditation: = Gedanken Stille Herrlich...