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Achtsamkeit & Meditation

Wie Yoga dir helfen kann, aufzustehen, wenn du es selber grad nicht kannst.

Erschöpfung kann etwas Herrliches sein. Wenn man nach einem absolvierten Marathon oder einer mehrtägigen Bergwanderung alle Viere von sich streckt und sich wohlige Müdigkeit und Schwere im Körper ausbreiten, fühlt man sich zufrieden und satt, weil man das Gefühl hat, sich die Entspannung verdient zu haben.

Wenn man sich aber schon morgens nach dem ersten Augenaufschlag wie gerädert fühlt und allein schon die Gedanken an all die zu erledigenden kleinen alltäglichen Dinge großen Stress erzeugen, will und kann man erst gar nicht aufstehen. Dann ist das eine Art von Erschöpfung, die auf eine depressive Verstimmung hindeuten kann, insbesondere dann, wenn dieser Zustand über mehrere Wochen oder gar Monate andauert.

Depression ist eine Volkskrankheit
Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind weltweit rund 120 Millionen Menschen davon betroffen, wobei bei Frauen die Diagnose zwei- bis dreimal so häufig gestellt wird wie bei Männern. Allein in Österreich leiden über 400.000 Menschen an einer behandlungsbedürftigen Depression. Laut WHO ist zu erwarten, dass depressive Erkrankungen bis 2020 nach Herz-Kreislauf- Erkrankungen die zweithäufigste Ursache für Arbeitsunfähigkeit sein werden.

Die Depression im medizinischen Sinn ist eine ernst zu nehmende psychische Erkrankung, die mit niedergedrückter Stimmung, Freud- und Interessenslosigkeit sowie Antriebsarmut einhergeht und behandelt werden muss. Phasen von Niedergeschlagenheit, Freudlosigkeit oder innerer Erschöpfung durchlebt fast jeder Mensch im Laufe seines Lebens einmal, meist eng verknüpft mit einem belastenden Ereignis. Sobald jedoch Schmerz oder Belastung nachlassen, hellt sich die Stimmung wieder auf. Diese vorübergehenden Stimmungstiefs muss man aber von einer Depression im medizinischen Sinn klar unterscheiden. Der Übergang von einer normalen Verstimmung zu einer depressiven Episode wird jedoch häufig als fließend beschrieben, ein erfahrener Arzt kann hier aber eine klare Unterscheidung treffen. Typische Symptome einer Depression sind neben den erwähnten Merkmalen Gefühle der Angst und Hoffnungslosigkeit, das ständige Bedürfnis zu weinen, aber auch ein Zustand der inneren Leere oder der Gefühllosigkeit. Schuldgefühle, mangelnder Selbstwert oder ein Gefühl des persönlichen Versagens können auftreten. Auch Konzentrationsstörungen, Gedächtnislücken und nachlassendes Denkvermögen können sich zeigen. Veränderungen im Biorhythmus sind charakteristisch für eine Depression. Es kommt zu Schlafstörungen, typischerweise mit frühem Erwachen, gefolgt von Grübeln. Depressive Symptome sind zu Tagesbeginn oftmals am stärksten ausgeprägt und lassen im Laufe des Tages nach. Außerdem kann es zu einer Minderung des Appetits und einem Libidoverlust kommen. Körperliche Beschwerden wie Kopf- oder Rückenschmerzen, Druck auf der Brust, Herzklopfen oder Verdauungsbeschwerden können durch eine Depression ausgelöst oder verstärkt werden. Bei einer Depression ist der Stoffwechsel im Gehirn verändert. Die Überträgersubstanzen, die so genannten Neurotransmitter, stehen beim gesunden Menschen in einem bestimmten Gleichgewicht zueinander. Bei einer Depression ist diese Balance zwischen den Neurotransmittern gestört, was in den angeführten Symptomen seinen Niederschlag findet.

Wissenschaftler der Boston University School of Medicine (BUSM) und des McLean Hospitals haben herausgefunden, dass das Praktizieren von Yoga den Spiegel des Neurotransmitters Gamma-Aminobuttersäure kurz GABA anhebt. Depressionen und Angststörungen stehen im Zusammenhang mit einem zu niedrigen GABA-Spiegel im Gehirn. Beide Erkrankungen können durch die Gabe von Medikamenten, die den GABA-Spiegel erhöhen, erfolgreich behandelt werden. Mit Hilfe der Magnetresonanzspektroskopie verglichen die Forscher den GABA-Level von acht Personen vor und nach einer Yoga-Stunde mit elf Personen, die kein Yoga machten, sondern stattdessen lasen. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass sich der GABA-Spiegel bei der Yoga-Gruppe um 27 % erhöht hatte. Bei der lesenden Vergleichsgruppe kam es zu keiner Veränderung des GABA-Spiegels gegenüber
der anfänglichen Messung.

Wie und vor allem warum kann Yoga bei Depressionen helfen?
Yoga wirkt sich aber nicht nur günstig auf das biochemische Gleichgewicht im Gehirn aus, es bietet den Praktizierenden außerdem einen Weg sich selber besser kennen zu lernen und sich zu entwickeln. Eine der Bedeutungen des Sanskrit-Begriffs Yoga ist „verbinden“. Yoga heißt verbunden sein mit dem Moment – im Jetzt sein. Dieses ganz im Hier und Jetzt sein, wird auch als Achtsamkeit bezeichnet. Achtsamkeit ist eine sehr bewusste Haltung.
Die gesamte Yoga-Praxis zielt darauf ab, die Achtsamkeitzu erhöhen. Man übt achtsam zu sein, um des gegenwärtigen Augenblicks willen, die Vergangenheit ist längst vorbei und die Zukunft hat noch nicht begonnen - was zählt, ist der Moment. Der Begriff Yoga bedeutet auch „die Zügel in die Hand nehmen“. Dieses bewusste Spüren dessen, was uns in diesem Moment bewegt, wie etwas auf uns wirkt, dieses Gewahrwerden der eigenen Empfindungen und Bedurfnisse ermöglicht uns, zu entscheiden wie wir auf Umstände oder Situationen reagieren, statt automatische Reaktionsmuster ablaufen zu lassen.

Durch die Praxis der Meditation lernt man, seine Aufmerksamkeit bewusst zu lenken. Man trifft selbst die Entscheidung, worauf man seinen Fokus lenkt, zum Beispiel auf den Atemfluss oder ein Mantra. Außerdem erwirbt man die Fähigkeit, seine Aufmerksamkeit immer wieder auf den anfänglich fokussierten Gegenstand zurückzulenken, sobald die Gedanken abschweifen. Das bewusste Lenken der Aufmerksamkeit befähigt den Praktizierenden zwischen Spannung und Entspannung hin und herzuwechseln, also selbst zu entscheiden, ob man die Aufmerksamkeit auf eine neue Aufgabe oder auf Regeneration und Entspannung lenkt. Die regelmäßige Achtsamkeitspraxis erleichtert das so genannte „Abschalten“ und ermöglicht dadurch einen Ausstieg aus der Erschöpfungsspirale. Außerdem kann das bewusste Lenken der Aufmerksamkeit dabei helfen, sich aus automatisierten Stressreaktionen zu lösen. Wenn man bewusst wahrnimmt wie man sich fühlt, bevor man automatisch reagiert, dann entsteht ein Freiraum. Dieser Freiraum gibt dem Einzelnen die Freiheit, bewusst eine Entscheidung zu treffen, bevor ein gewohnheitsmäßiges Reaktionsmuster abzulaufen beginnt. Er eröffnet Wahlmöglichkeiten und wirkt dem Empfinden entgegen, von äußeren Umständen bestimmt zu werden. Äußere Umstände lassen sich selten verändern, was man jedoch ändern kann, ist die innere Haltung – und dabei hilft der Yoga. Jeder nimmt selbst die Zügel seines Lebens
in die Hand.

Jeder nach dem eigenen Maß
Der Yoga ist auch ein Spiegel. Er konfrontiert jeden Einzelnen unmittelbar mit seinen eigenen Leistungsansprüchen. Neigt man zur Überforderung oder macht man es sich gern bequem? Immer geht es ums Spüren sowie ums Annehmen und Akzeptieren dessen, was gerade jetzt in diesem Moment angezeigt ist. Jede Übung sollte den Praktizierenden herausfordern, aber nicht überfordern. Jeder wird zu seinem eigenen Maßstab beim Üben – ganz egal was der Teilnehmer auf der Matte nebenan macht. Jeder bleibt bei sich und erspürt in jeder einzelnen Körper-, Atem- oder Mentalübung ganz genau und achtsam, ohne zu bewerten, sozusagen als stiller Beobachter, was die Übung mit ihm macht, wie sie sich anfühlt. Wesentlich ist, für sich den Spielraum zu erfühlen, der es erlaubt die Übung mit Leichtigkeit, aber doch kraftvoll auszuführen. Spüren, was tut genau jetzt in diesem Moment gut und danach handeln. Das nährt das Selbst und stärkt das Selbstbewusstsein. Das gelingt aber nur, wenn man sich frei macht von fremdbestimmten Messlatten und selbst der Maßstab seines Tuns wird. Der Yoga bietet ein Repertoire an Techniken wie Körperübungen, Atem- und Entspannungstechniken sowie Meditation, Mantra-Rezitation und viele mehr, die das Erleben der Einheit von Körper und Seele stärken. Durch gelebte Achtsamkeit lernt der Praktizierende, die eigenen Empfindungen nicht gleich zu bewerten, sondern zu beobachten und zu spüren.

Durch die verbesserte Selbstwahrnehmung die Möglichkeit, bewusst Entscheidungen zu treffen, eingefahrene Reaktionsmuster zu verlassen, und sie macht unabhängig von äußeren Umständen. Das Wiedererlernen des bewussten Hinschauens auf die eigenen Bedürfnisse und des Hinspürens stärkt das Selbstbewusstsein. Yoga ist ein Weg, der den Einzelnen dabei unterstützen kann, aus der depressiven Spirale auszusteigen. Jede neue Art zu reagieren hinterlässt Spuren im Gehirn. So ist es auch mit dem Yoga. Durch das regelmäßige Üben wird aus dem anfänglich kleinen Trampelpfad, der immer wieder vom Gras überwuchert wird, nach und nach ein sechsspuriger Highway. Es bedarf der Wiederholung, damit Yoga wirken kann – oder wie der Yoga-Meister Swami Sivananda meinte: „Ein Gramm Praxis ist besser als Tonnen von Theorie.“

Iris Weiland ist diplomierte Ayurveda-Wohlfühlpraktikerin, Vastu-Beraterin, Hatha-Yoga-Lehrerin und Journalistin. Ayurveda, Vastu und Yoga sind seit vielen Jahren nicht nur ihr Beruf, sondern ihre Berufung und Leidenschaft. Diese jahrtausendealten Wissenschaften ergänzen einander perfekt und bilden als gemeinsames System die Basis für ein langes, gesundes und glückliches Leben.
 
Buchtipp:
Nicole Plinz, Yoga bei Erschöpfung, Burnout und Depression
Balance buch+medien verlag 2009
 
Bilder © unsplash
Wir danken der "Yoga-Zeit" für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung des Artikels.

 

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