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Achtsamkeit & Meditation

Das Ziel des buddhistischen Weges wird auch als ‚Befreiung‘ oder ‚Erlösung‘ bezeichnet. Was bedeutet nun Freiheit? Und wovon soll man sich befreien? Sind wir grundsätzlich frei? Wodurch wird diese Freiheit beschränkt? Freiheit als Konzept richtet oft mehr Schaden an, als es nützt.

 

Auf dem Weg des Buddha helfen uns da keine Theorien, sondern Reflexionen, um die Realität des Daseins zu verstehen und uns aus unerkannten Bindungen zu lösen. Viele Menschen, die Meditation üben, möchten sich von bestimmten Gefühlen und Gedanken befreien. Nach einiger Zeit denken sie, dass sie eine gewisse Freiheit erreicht haben, doch dann müssen sie im Alltag feststellen, dass sie in stressigen Situationen wieder in ihre alten Muster fallen, und fühlen sich gar nicht frei. Sie dachten, sie wären geistig weiter, und sind dann enttäuscht oder verzweifelt, weil sie sich Freiheit anders vorstellen. Freiheit wäre, wenn wir unabhängig von dem, was jemand sagt oder macht, gelassen bleiben und fest in uns ruhen. Der Buddha spricht von einer ‚unerschütterlichen Erlösung des Gemütes‘, das heißt, man wird von Begehren oder Ablehnung nicht mehr ergriffen und bewegt. Da könnte für Meditierende die Frage auftauchen, ob das wirklich Freiheit ist oder nicht eine Art von Unterdrückung und Gleichgültigkeit. Man wendet sich durch Meditation von der Welt ab, und es wird einem alles egal. Das kann als Ziel nicht gemeint sein. Es kommt darauf an, dass wir ehrlich untersuchen, welche Art von Freiheit wir in der Übung des Geistes anstreben und erreichen.

 

Freiheit als Konzept richtet oft mehr Schaden an, als es nützt.

 

In der Rede des Buddha über die Gebiete der Achtsamkeit gibt es eine wiederkehrende Stelle. Dort wird gesagt, dass man unabhängig und frei verweilt und an nichts in der Welt haftet. Das Bemerkenswerte daran ist, dass diese Freiheit von Anfang an und bei jeder einzelnen Übung als eine notwendige innere Haltung betont wird. Es ist eine Eigenart des Buddha, dass er in seinen Methoden oft schon das Ziel der Übung angibt. Zugleich zeigt er uns, dass die Wahrheit hier und jetzt erfahrbar ist. Während man so übt, denkt man schon daran, frei zu sein und an nichts anzuhaften. Ein Grund für diese Anweisung liegt darin, dass die Lehre davon ausgeht, dass wir eben nicht frei sind, bestimmt werden von treibenden Kräften, von geistiger Blindheit und Unwissenheit. Es gibt einen freien Willen, mit dem wir die Welt und uns gestalten, aber wir verwenden dieses Werkzeug nicht richtig. Statt uns selbst zu bestimmen, leben wir in Abhängigkeit und reagieren nur auf das, was von außen kommt und uns unsere Sinne vermitteln. Daher ist es wichtig, diese Realität zu sehen und von Anfang an im Bewusstsein der Freiheit zu üben.

 

Erleuchtung bedeutet zu erkennen, dass wir im Gefängnis sitzen.

 

Zugleich wird gesagt, dass wir die Kraft haben, uns aus dieser Unfreiheit zu lösen. Erleuchtung bedeutet zu erkennen, dass wir im Gefängnis sitzen, was uns darin hält, und uns daraus zu befreien. Diese Sichtweise gibt es in vielen spirituellen Lehren. Es geht um eine Befreiung vom Irdischen und um die Erfahrung anderer Ebenen. Buddha nennt das das ‚Todlose‘ und Jesus sagt ‚Auferstehung‘. Beides bedeutet Freiheit von Geburt, Alter, Krankheit, Gewinn, Verlust und Sterben. Jede Vorstellung, die wir uns davon machen, ist nur dann sinnvoll, wenn sie unser Vertrauen stärkt und uns die Möglichkeit öffnet, das Wesentliche zu erkennen, und eine höhere Dimension in unser Leben bringt. Am Anfang meines buddhistischen Weges haben mich Ideen von Freiheit und Erleuchtung nicht sehr interessiert, sondern mehr die Übung der Achtsamkeit. Doch bald merkte ich, dass ich meinen Geist nicht konzentrieren konnte. Wo war denn meine Freiheit, wenn ich weder meinen Körper, meinen Geist noch meine Gefühle bestimmen konnte? Diese Unfreiheit zu erkennen, ist ein wesentlicher Schritt auf dem Weg. Man fragt sich: Was stimmt da nicht, was ist falsch programmiert? Ich denke, das ist auch ein Grund, warum immer mehr Menschen im Westen Interesse an dieser Meditation finden. Obwohl man zunächst die Fesseln bemerkt, sieht man, dass in der Übung der Achtsamkeit schon in jedem Moment der Duft von Freiheit liegt. Einmal verwendet der Buddha folgendes Gleichnis: „Gleichwie das Weltmeer von einem einzigen Geschmack durchdrungen ist, dem Geschmack des Salzes, ebenso ist diese Lehre von einem einzigen Geschmack durchdrungen, dem Geschmack der Erlösung.“

 

Sicherheit ist eine Illusion.

 

Dazu brauchen wir die Übung der Achtsamkeit und eine rechte Sichtweise. Die Freiheit beginnt mit dem Sehen und Erkennen. So ist es möglich, dass auch in wenigen Tagen der Übung während eines Kurses sich innerlich etwas löst und man anders weggeht, etwas freier. Weil Erkenntnis da ist, sieht man sich selbst anders, man erkennt die Ursache des Leidens. Ein Beispiel: Sie haben einen Besitz, der Ihnen wichtig ist. Wenn dieser Besitz verloren geht, dann fühlen Sie sich schrecklich, Sie leiden, manchmal mehr, manchmal weniger. Das hängt von unserer Einstellung ab. Je mehr uns etwas bedeutet, desto größer ist das Problem. Ein Haus gibt mir Sicherheit und wenn dieses verloren geht, leide ich. Ich erfahre Sicherheit durch ‚mein‘ Haus, das ist meine Einstellung dazu. Eigentlich gibt es keine Sicherheit, alles in dieser Welt ist der Veränderung und dem Verlust unterworfen. Sicherheit ist eine Illusion. Wenn es möglich ist, meine Einstellung so zu ändern, dann wird sich das Leiden reduzieren oder ganz aufhören. Diese Einsicht kann dazu führen, dass man sieht, dass es Unsinn ist, aufgrund eines Verlustes unglücklich, ja nicht einmal ärgerlich zu sein. Irgendwann schwindet alles, es ist nichts anderes zu erwarten. So zu denken, ist nicht einfach und bedarf der achtsamen inneren Arbeit, aber es ist möglich. Wenn es funktioniert, ist es sofort als Leichtigkeit und Freude erfahrbar. Theorie hilft da nur wenig, nur die in der Übung gewonnene Erkenntnis über die Funktion unserer Gefühle, die hilft wirklich. Buddha sagt, je näher uns etwas ist, desto größer ist das Leiden. Das bedeutet nicht, dass wir keinen Besitz haben sollen oder keine Beziehungen, keine Nähe, keine Bindung. Selbst die Mönche und Nonnen des Buddha, die als hilfreiche Übung auf jeden materiellen Besitz verzichten, haben Beziehungen zu Lehrern und Freunden und sollen diese auch pflegen. Wenn wir in der Welt leben, so haben wir Verantwortung, müssen für unseren Besitz und unsere Beziehungen sorgen und dürfen uns daran erfreuen. Im meditativen Betrachten lernen wir, das mit weniger Anhaften, mit innerer Unabhängigkeit zu genießen.

 

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Das Anhaften, das zum Leiden führt, betrifft auch uns selbst. Das ist eine der tiefsten und am schwersten zu sehenden Lehren des Buddha. Der Buddha hat immer wieder darauf hingewiesen, alles, was das ‚Ich‘ ausmacht, nicht als beständig und Eigentum anzusehen. Das ist sehr schwer zu durchschauen, doch es ist der Kern der Freiheit. Ohne Übung scheint das unmöglich zu sein. Wie kann ich zu mir selbst so eine Haltung haben? Deswegen ist das nicht wertende Beobachten des Ichs so wichtig. Sonst funktioniert das nicht. Wie schwierig das zu verwirklichen ist, hat mir vor kurzem ein Freund gezeigt, der mit der Lehre des Buddha sehr vertraut ist. Als eines Tages eine körperliche Behinderung nicht weichen wollte und ich versuchte, ihn auf die innere Freiheit aufmerksam zu machen, sagte er: „Du hast leicht reden, du bist ja gesund. Der innere Frieden hängt immer nur vom äußeren Frieden ab.“ Eigentlich hätte ich erwartet, dass er sich um geistige Unabhängigkeit von den körperlichen Gefühlen bemüht. Das wäre der wirkliche innere Friede. Aber wenn wir uns vorstellen, selbst in solch einer Situation zu sein, dann kann man diese Reaktion verstehen. Deshalb muss man mit den kleinen Sachen beginnen, die Unabhängigkeit zu versuchen. Wenn sorgenvolle Gedanken aufkommen, sollte man diese nicht verdrängen, auch nicht durch Meditation. Das bringt nur eine scheinbare Freiheit. Besser ist es, sie zu erkennen und zu wissen, wie man darauf reagiert. Unangenehmes kann jeden Moment geschehen. Kann ich mich darauf einstellen, kann ich lernen, das zu akzeptieren. Nur das tiefe Durchschauen dieser Tatsachen kann zur Loslösung führen und ebenda kann innere Freiheit entstehen. Deshalb sollte die stille Meditation auf den Atem nicht nur Ruhe bringen, sondern dazu dienen, die Gefühle und geistigen Einstellungen zu betrachten – und zu verändern. In jeder unscheinbaren Reaktion unseres Geistes steckt das gleiche Programm, das auch bei den großen Ereignissen abläuft. Nur aus dieser Übung entsteht rechte Einsicht und daraus kann echte Freiheit und unabhängiges Glück entstehen. Vielleicht können wir uns das schwer vorstellen, doch alle weisen LehrerInnen sagen, dass wir dazu die Fähigkeit haben.

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Dr. Paul Köppler

Dr. Paul Köppler

Dr. Paul Köppler, geboren 1946, hat Philosophie und Theaterwissenschaften studiert. Köppler ist Meditationslehrer und Leiter des Waldhauses am Laacher See. Sein letztes Buch ‚Buddhas ewige Gesetze‘ zeigt anschaulich, wie Buddhas Weisheit in unser Leben integriert werden kann. Mehr unter: ...
Kommentare  
# Uwe Meisenbacher 2018-01-24 10:55
Hallo Herr Köppler,

Ihr Artikel ist ein zutreffender Aufklärungsbeitrag,

Sie schreiben in Ihren Artikel:

„Deshalb sollte die stille Meditation auf den Atem nicht nur Ruhe bringen, sondern dazu dienen, die Gefühle und geistigen Einstellungen zu betrachten – und zu verändern.“

Das ist vollkommen richtig, Meditation und Achtsamkeit ohne die Dinge zu betrachten, nicht bewerten, nur akzeptieren, geht gar nicht.
Denn das würde bedeuten, die unheilsamen Gefühle, Denk- und Verhaltensweisen so zu belassen wie sie sind.
Achtsamkeit und Meditation müssen immer im Kontext mit Ethik, Moral und Gemeinwohl praktiziert werden, sonst können sie nicht heilsam sein.

Mit freundlichen, aberglaubensfreien, heilsamen, buddhistischen Grüßen.
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# D.K 2018-01-25 14:30
Die Möglichkeit, die auch zu Teilen unangenehmen Gefühle
beobachten zu können ohne diese verändern zu wollen bzw. das Gefühl zu haben sich nur wohl fühlen zu können ohne diese Art von Gefühlen, ist für mich eine große Kostbarkeit der Achtsamkeit.
Die Veränderung des Gefühls oder der Stimmung kommt dann allein durch die achtsame Betrachtung. Das Unangenehme löst sich auf in den vielen Nuancen des Gefühls.
Losgelöst von diesem Phänomen kann der Wunsch sein, Änderung herbei zu führen die erst garnicht diese schlechten Gefühle, auch bei anderen, aufkommen lassen.
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# Uwe Meisenbacher 2018-01-24 11:09
Buddhas Pfad der Weisheit „mache das Heilsame , lasse das Unheilsame und ent-
wickle deinen Geist“, ist eine gut praktizierende Anleitung und das nicht nur
für Buddhisten.
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